Fortpflanzungsmedizingesetz: Für Bischöfe 'Dammbruch und Irrtum'

2. Dezember 2014 in Österreich


Stellungnahme der Bischofskonferenz zur Novelle des Fortpflanzungsmedizingesetzes: "Fortschreitenden Fehlentwicklung, an deren Spitze die Selektion von Kindern steht" - "Gesetzesentwurf zurückziehen und breite gesellschaftliche Diskussion"


Wien (kath.net/KAP/ÖBK) Der Entwurf zum Fortpflanzungsmedizingesetz ist "ein ethischer Dammbruch und großer Irrtum - ohne Diskussion". Zu diesem Urteil kommt die Österreichische Bischofskonferenz in ihrer offiziellen Stellungnahme zum Gesetzesentwurf. Dieser schaffe "unüberbrückbare Probleme und Leiden", im Namen einer "naiven Fortschrittsgläubigkeit", so die Bischöfe zur Novelle, die eine Zulassung der Präimplantationsdiagnostik (PID), der Eizellspende und Fremdsamenspende für die In-vitro-Fertilisation (IVF) und für gleichgeschlechtliche Partnerschaften vorsieht. In ihrem Gutachten, das die Bischöfe kurz vor Ablauf der zweiwöchigen Begutachtungsfrist am Montag im Parlament eingereicht haben, fordern sie eine Rücknahme des Vorschlags und eine breite gesellschaftliche Diskussion über die geplanten Änderungen.

Ein Hauptkritikpunkt der Bischöfe ist die Präimplantationsdiagnostik (PID), die sie als "fortschreitende Fehlentwicklung, an deren Spitze die Selektion von Kindern steht" grundsätzlich ablehnen. Ihre Einführung würde die Tötung menschlichen Lebens legalisieren und zu einer neuen Dimension der Diskrimination von Menschen aufgrund genetischer Veranlagung führen, heißt es in der Stellungnahme. PID diene immer nur zum Aussortieren, nie aber zur Heilung, rufen die Bischöfe in Erinnerung.

Den Einsatz von PID könne man zudem kaum wirkungsvoll beschränken, würden doch schon heute bei Fehlen plausibler Gründe für Unfruchtbarkeit oder eine Fehl- oder Totgeburt möglichst umfangreiche Chromosomen-Screenings durchgeführt, welche stets mehr Informationen liefern als bloß über die für die Einnistungs- oder Lebendgeburtsfähigkeit entscheidenden Anomalien. Wolle man nur jene PID-Methoden erlauben, die ausschließlich derartige Anomalien darstellen, müsse man letztere beschränken und rechtfertigen, was ethisch äußerst schwierig sei, so die Bischöfe. Über all dem sei bislang nicht erwiesen, dass PID bei unerklärlicher Unfruchtbarkeit die Schwangerschaftsrate erhöhe.

Kritik an übermäßiger Embryonen-Herstellung

Der Gesetzesvorschlag verabschiede sich von dem Grundsatz, möglichst keine Embryonen zu schaffen, die später nicht mehr benötigt und deshalb "letztlich wie Müll entsorgt werden", bemängelt die Bischofskonferenz. Für PID-Methoden würden von vornherein mehr Embryonen benötigt als bisher vom Gesetzgeber angenommen und es fehlten auch Anreize, um bei Übertragung von nur einem einzigen Embryo im Zuge der In-vitro-Fertilisation weniger Eizellen zu befruchten. Vielmehr versuche man, so die Bischöfe, möglichst viele Eizellen zu gewinnen, diese zu befruchten und die tauglichsten für den Transfer auszuwählen.

"Überzählige" Embryonen würden somit vom Gesetzesentwurf nicht glaubwürdig vermieden, sondern man rechne vielmehr damit, dass nicht alle Embryonen in den Körper der Frau eingebracht werden. Befruchtete, aber nicht eingesetzte Embryonen würden folglich wohl getötet, und auch die im Einzelfall vorgesehene Aufbewahrung über zehn Jahre - die rasch politischen Druck auf Zulassung für die Forschung und in Folge immer auch zum absichtlichen Tod des Embryos entstehen lassen werde - sei ethisch strikt abzulehnen.

Eizellspende: Zu viele Risiken

In ihrer Kritik zur Eizellspende verweisen die Bischöfe auf bekannte Gesundheitsrisiken für Spenderin und Empfängerin, auf das Schüren "unrealistischer Hoffnungen", die fehlenden Langzeitstudien hinsichtlich der Risiken sowie der herbeigeführten Spaltung von sozialen und genetischen Eltern und deren Folgewirkungen für die Identität der betroffenen Kinder. Die Kommerzialisierung des Eizellhandels mache Frauen in prekären Lagen zu "Rohstofflieferanten", zudem stünden Ärzte im Interessenskonflikt, die zugleich Interessen der Spenderin wie auch der Empfängerin vertreten sollen.

Angesichts dieser Einwände sei es "völlig unverständlich", dass das Justizministerium von einer "sachlich schwer begründbaren Ungleichbehandlung gegenüber der zulässigen Samenspende" ausgehe und Eizellspende diskussionslos einführen wolle, betont die Bischofskonferenz.

Novelle juristisch nicht erforderlich

Um eine Ungleichbehandlung - im Verbot der Insemination mit Fremdsamen für lesbische Partnerschaften - war es auch im Oktober 2013 in jenem Urteil des Verfassungsgerichtshofes (VfGH) gegangen, das den nunmehrigen Gesetzesvorschlag veranlasst hatte. Um das Gesetz hier anzupassen, seien die nun vorgeschlagenen weitreichenden Änderungen überhaupt nicht nötig, erklären die Bischöfe.

Auch einer anderen Argumentationslinie, die sich auf einen Zwang zur Gesetzesänderung durch ein Urteil des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte (EGMR) beruft, erteilen die Bischöfe eine Absage: Der EGMR habe in der im Gesetzesvorschlag zitierten Erkenntnis Österreichs Eizellspende-Verbot sogar bestätigt und bloß eine kontinuierliche Auseinandersetzung und Überprüfung der Rechtslage eingefordert - "gerade diese Auseinandersetzung hat aber in Bezug auf die Eizellspende nicht stattgefunden", so die kirchliche Stellungnahme.

Der Vorschlag der Bischofskonferenz für das weitere Prozedere ist es, Raum zu schaffen für eine wirklich gründliche öffentliche Befassung mit den angesprochenen Grundsatzfragen. Wörtlich heißt es: "Möchte man dem Erkenntnis des VfGH fristgerecht entsprechen, so ist - aus rechtlicher Sicht - neben der Wiedereinführung des 'ultima ratio'-Grundsatzes für die Inanspruchnahme der Methoden medizinisch unterstützter Fortpflanzung nur folgendes notwendig: Entweder ein grundsätzliches Verbot der Fremdsamenspende oder bloß die Zulassung der Fremdsamenspende in vivo für Frauen in einer gleichgeschlechtlichen Partnerschaft."

Kein Recht auf Kinder

Leidtragende des beabsichtigten Gesetzes sind in den Augen der Bischöfe vor allem die Kinder, die zunehmend "zu einem Produkt der Fortpflanzungsindustrie und Mittel zum Zweck" würden. Es gebe kein Recht auf ein Kind, sondern vielmehr ein auch in der UN-Kinderrechtskonvention festgeschriebenes Recht des Kindes auf Vater und Mutter; der gesellschaftliche Nachdenkprozess müsse statt dem "Freiheitsrausch als oberste Handlungsmaxime" das Kindeswohl ins Zentrum rücken.

Positive Worte finden die Bischöfe am Gesetzesvorschlag lediglich für das Festhalten am Verbot der künstlichen Befruchtung für alleinstehende Personen: Angesichts der bekannten Mühen und Anstrengungen alleinstehender Frauen, die Unterstützung ihres Partners in Familie und Erziehung auszugleichen, scheine eine gezielte Herbeiführung dieser Situation "unverantwortlich".

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