Gott: Zärtlich wie eine Mama

11. Dezember 2014 in Aktuelles


Franziskus in Santa Marta: Die Gnade darf nicht wie eine Ware behandelt werden. Wider die spirituelle Buchhaltung. Die Gnade Gottes ist etwas anderes: sie ist Nähe, sie ist Zärtlichkeit. Von Armin Schwibach


Rom (kath.net/as) Gott rettet sein Volk nicht aus der Ferne. Er kommt nahe und ist voll Zärtlichkeit. In seiner Predigt am Donnerstag der 2. Woche im Advent bei der heiligen Messe in der Kapelle des vatikanischen Gästehauses „Domus Sanctae Marthae“ ging Papst Franziskus von der ersten Lesung aus dem Buch Jesaja aus (Jes 41,13-20) und stellte einen Vergleich an:

„Die Nähe Gottes ist so groß, dass Gott hier wie eine Mama auftritt, wie eine Mama, die mit ihrem Kind spricht: eine Mama, wenn sie für ihr Kind ein Wiegenlied singt und die Stimme des Kindes annimmt und klein wird wie ihr Kind und mit dem Stimmfall des Kindes spricht, bis zu dem Punkt, dass es dem, der nicht versteht, was da an Großem geschieht, sogar lächerlich erscheinen könnte: ‚Fürchte dich nicht, du armer Wurm Jakob, du Würmlein Israel!’ (V. 14). Ja, wie oft sagt doch eine Mama solche Sachen zu ihrem Kind, während sie es liebkost, nicht? ‚Zu einem Dreschschlitten mache ich dich, zu einem neuen Schlitten mit vielen Schneiden’ (V. 15) ... Ich werde dich groß machen... Und sie streichelt es, sie kommt ihm näher. Und Gott handelt so. Er ist uns so nahe, dass er sich mit dieser Zärtlichkeit ausdrückt: mit der Zärtlichkeit einer Mama“.

Gott „liebt uns unentgeltlich, wie eine Mama ihr Kind liebt. Und das Kind lässt sich lieben: das ist die Gnade Gottes“. Der Papst warnte: um sicher zu sein, hätten wir oft die Absicht, die Gnade zu kontrollieren: „In der Geschichte und auch in unserem Leben haben wir die Versuchung, die Gnade zur Ware zu machen, sie wie eine Ware oder etwas Kontrollierbares zu behandeln“, indem wir vielleicht zu uns selbst sagten: „Ich aber habe viele Gnaden’, oder: ‚Ich habe eine saubere Seele, ich bin in Gnade’“:

„Und so rutscht diese so schöne Wahrheit der Nähe Gottes in ein spirituelles Buchhalten ab: ‚Nein, ich mache das, weil mit das dreihundert Tage an Gnade geben wird ... Ich mache das andere da, weil es mir das und das geben wird, und so häufe ich Gnade an’. Was aber ist die Gnade? Eine Ware? Wenn das so ist, dann hat es diesen Anschein. Und in der Geschichte ist die Nähe Gottes zu seinem Volk durch diese unsere egoistische Haltung verraten worden, die Gnade kontrollieren, sie zur Ware machen zu wollen“.

Franziskus rief in Erinnerung, wie zur Zeit Jesu einige Gruppen die Gnade kontrollieren wollten: die Pharisäer, die von den vielen Gesetzen, die sie dem Volk auf die Schultern lasteten, versklavt worden seien. Dann die Sadduzäer mit ihren politischen Kompromissen. Die Essener, die gut, sehr gut gewesen seien, doch viel Angst gehabt hätten, kein Wagnis eingegangen und so dabei geendet seien, sich in ihren Klöstern abzuschotten. Die Zeloten, für die die Gnade Gottes „der Befreiungskrieg“ gewesen sei, „eine andere Art, die Gnade zur Ware werden zu lassen“.

„Die Gnade Gottes“, so der Papst eindringlich, „ist etwas anderes: sie ist Nähe, sie ist Zärtlichkeit. Diese Regel ist immer nützlich. Wenn du in deiner Beziehung mit dem Herrn nicht spürst, dass er dich zärtlich liebt, dann fehlt dir noch was, dann hast du noch nicht verstanden, was die Gnade ist, dann hast du die Gnade noch nicht empfangen, die diese Nähe ist“.

Franziskus erzählte von einer Beichte, die lange Jahre zurück liege. Eine Frau habe sich über die Gültigkeit einer Messe den Kopf zerbrochen, die sie am Vorabend bei einer Hochzeit besucht habe. Das Problem habe darin bestanden, dass die Lesungen nicht jene vom Sonntag gewesen seien, worauf er ihr gesagt habe: „Aber liebe Frau, der Herr liebt Sie so sehr. Sie sind da hingegangen, sie haben die Kommunion empfangen, Sie sind bei Jesus gewesen... Ja, ganz ruhig, der Herr ist kein Händler, der Herr liebt, er ist nahe“.

„Und der heilige Paulus reagiert kraftvoll auf diese ‚Spiritualität des Gesetzes’“, so der Papst abschließend: „‚Ich bin gerecht, wenn ich das und das und das tue. Wenn ich das nicht tue, dann bin ich nicht gerecht’. Aber du bist doch ein Gerechter, weil Gott sich dir genähert hat, weil Gott dich liebkost, weil Gott dir diese schönen Dinge mit Zärtlichkeit sagt: das ist unsere Gerechtigkeit, diese Nähe Gottes, diese Zärtlichkeit, diese Liebe. Trotz der Gefahr, uns lächerlich zu erscheinen, ist unser Gott so gut. Wenn wir den Mut hätten, unser Herz dieser Zärtlichkeit Gottes zu öffnen – wie viel geistliche Freiheit würde uns doch zuteil werden! Wie viel! Wenn ihr heute ein wenig Zeit habt, zuhause, dann nehmt die Bibel: Jesaja, Kapitel 41, Vers 13 bis 20, sieben Verse. Und lest sie. Diese Zärtlichkeit Gottes, dieser Gott, der einem jeden von uns ein Wiegenlied singt, wie eine Mama“.


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