'Christ des Jahres': Papst Franziskus

27. Dezember 2014 in Chronik


Evangelische Nachrichtenagentur IDEA wählt u.a. Papst Franziskus zum "Christ des Jahres": Beziehungen zwischen „Rom“ und den theologisch konservativen Protestanten – den Evangelikalen – in der Kirchengeschichte noch nie so eng wie gegenwärtig


Wetzlar (kath.net/idea) Wer hat im Jahr 2014 seinen christlichen Glauben in herausragender Weise gelebt? Die Evangelische Nachrichtenagentur idea (Wetzlar) hat einige Persönlichkeiten zu „Christen des Jahres“ gekürt. Die prominenteste unter ihnen ist Papst Franziskus. Er ist für idea der „Versöhner des Jahres“. Das Oberhaupt der über 1,2 Milliarden Katholiken unternahm im Sommer einen kirchenhistorischen Schritt, als er eine Gemeinde der mitgliederstärksten Gruppe der Evangelikalen, der Pfingstkirchen, besuchte und sie um Vergebung für geschehenes Unrecht bat. Inzwischen empfing Franziskus wiederholt Repräsentanten des größten evangelikalen Dachverbandes, der Weltweiten Evangelischen Allianz. Nach deren Einschätzung waren die Beziehungen zwischen „Rom“ und den theologisch konservativen Protestanten – den Evangelikalen – in der Kirchengeschichte noch nie so eng wie gegenwärtig. Wie sein Vorgänger Benedikt XVI. stellte Franziskus Jesus Christus als die Mitte der Kirche heraus.

Engagierte Christen in der Politik: Christine Lieberknecht und Steffen Reiche

Als „Politiker des Jahres“ wählte idea die frühere Ministerpräsidentin von Thüringen, Christine Lieberknecht (CDU), und Pfarrer Steffen Reiche (SPD) aus. Die 56-Jährige hat sich wie keine andere Persönlichkeit in ihrer Partei auf Länderebene für den christlichen Glauben, die Kirchen und die evangelikale Bewegung eingesetzt. Als einzige Spitzenrepräsentantin der Union ist sie Mitglied der „Christdemokraten für das Leben“, die sich vor allem gegen Abtreibung und Sterbehilfe engagieren. Lieberknecht bezeichnete die über 100.000 Kindestötungen im Mutterleib pro Jahr als Skandal und betrieb eine Familienpolitik, die Mut zu mehreren Kindern machte. Außerdem rief die Politikerin im Vorfeld des 25. Jahrestags des Mauerfalls (9. November) dazu auf, dafür in den Gottesdiensten zu danken. Reiche gehörte zu den mutigen Christen, die 1989 maßgeblich an der Friedlichen Revolution mitgewirkt haben. In seinem damaligen Pfarrhaus im brandenburgischen Schwante wurde am 7. Oktober – dem 40. Jahrestag der DDR – die Ost-Sozialdemokratie ins Leben gerufen. Nach einer Zeit in der Politik im wiedervereinigten Deutschland – als Minister in Brandenburg – wandte er sich wieder – wie er sagte – eigentlichen Berufung zu. Er ist heute Pfarrer in Berlin-Nikolassee. Während die SPD in Thüringen die Koalition unter der SED-Fortsetzung „Die Linke“ betrieb, warnte er seine Partei im Gedenkjahr des Mauerfalls öffentlich vor diesem Schritt. Reiche engagiert sich für verfolgte Christen und für ein neues Weltwirtschaftssystem, in dem mehr Gerechtigkeit herrscht.

Standhaft in der Verfolgung: Mariam Ibrahim Ishag

Als „Märtyrerin des Jahres“ benannte idea die sudanesische Christin Mariam Ibrahim Ishag. Wegen „Abfalls vom Islam“ war die heute 27 Jahre alte Ärztin im August 2013 mit ihrem 20
Monate alten Sohn Martin eingesperrt worden. Am 15. Mai wurde sie zum Tod durch den Strang sowie wegen angeblicher Hurerei zu 100 Peitschenhieben verurteilt. Dem islamischen Religionsgesetz zufolge galt die Tochter eines Muslims und einer Christin als Muslimin. Da sie einen Christen geheiratet hatte, wurde ihr Hurerei vorgeworfen. Doch die hochschwangere Katholikin weigerte sich, ihrem Glauben abzuschwören. Am 26. Mai brachte sie an Ketten gefesselt ihre Tochter Maya zur Welt. Nach internationalen Protesten hob ein Berufungsgericht am 23. Juni das Urteil auf. Am folgenden Tag wurde Ishag mit ihrem Mann Daniel Wani – einem körperbehinderten Arzt – und den beiden Kindern an der Ausreise gehindert. Zuflucht fand die Familie in der US-Botschaft in Sudans Hauptstadt Khartum. Am 24. Juli wurde sie nach Rom ausgeflogen. Dort empfing sie Papst Franziskus, der Ishags unerschütterliches Glaubenszeugnis würdigte.

Petition gegen umstrittenen Bildungsplan initiiert: Gabriel Stängle

Als „Lehrer des Jahres“ würdigt idea den baden-württembergischen Realschullehrer Gabriel Stängle (Rohrdorf/Nordschwarzwald). Der 42-Jährige startete eine Petition gegen den umstrittenen Bildungsplan der grün-roten Landesregierung, in dem die „Akzeptanz sexueller Vielfalt“ als fächer- und klassenübergreifender Unterrichtsschwerpunkt gefordert wird. Binnen weniger Wochen unterstützten knapp 200.000 Bürger das Anliegen. Sie warnten vor einer „pädagogischen, moralischen und ideologischen Umerziehung“. Stängle wurde dafür in den Medien und von der grün-roten Landesregierung scharf kritisiert. Als die Petition im Herbst abgelehnt wurde, gingen rund 3.000 besorgte Bürger auf die Straße. Viele Christen hoffen, dass es noch zu inhaltlichen Änderungen im Bildungsplan kommt.

Dazu die Erklärung von IDEA-Chef Helmut Matthies

Keine Angst: Weder ich noch idea werden katholisch. Dazu trennt uns theologisch noch zu viel. Aber wenn wir Christen um Einheit in der Wahrheit beten und sie sich dann zumindest teilweise verwirklicht, wären wir undankbar gegenüber Gott, würdigten wir dies nicht auch. Während noch vor 50 Jahren für konservative Protestanten die „Römer“ ebenso eine Sekte waren wie umgekehrt für viele Katholiken die „Wittenberger“, so hat sich seit dem Amtsantritt von Benedikt XVI. 2005 Entscheidendes geändert. Die drei Jesus-Bücher des Deutschen Joseph Ratzinger, die er als Papst schrieb, sind – wie alle führenden evangelikalen Theologen feststellten – durchweg bibeltreu. Das kann man leider von vielen protestantischen Veröffentlichungen nicht behaupten. Benedikts Nachfolger Franziskus ging dann noch einen Schritt weiter, indem er im Sommer eine Gemeinde der mitgliederstärksten Gruppe unter den Evangelikalen, der Pfingstkirchen, besuchte und sie um Vergebung für geschehenes Unrecht bat. Dass der Inhaber eines Amtes, das in vielen Augen als unfehlbar (was freilich nur unter ganz bestimmten Umständen zutrifft) gilt, diesen Schritt wagte, kann gar nicht hoch genug eingeschätzt werden.

Inzwischen hat der Papst auch mehrfach Repräsentanten des größten evangelikalen Dachverbandes – der Weltweiten Evangelischen Allianz – empfangen. Die Allianz hat recht, wenn sie feststellt, dass die Beziehungen zwischen „Rom“ und den Evangelikalen noch nie in der Kirchengeschichte so eng waren wie gegenwärtig. Und das hat vor allem damit zu tun, dass sowohl Benedikt als auch Franziskus wie vermutlich wenige Päpste zuvor Christus als absolute Mitte der Kirche herausstellen und ihr alles andere unterordnen. Gab es in ethischen Fragen – Ehe, Familie und Abtreibung – schon lange größere Übereinstimmungen zwischen den Evangelikalen und der katholischen Seite als zu vielen evangelischen Landes-, aber mittlerweile auch zahlreichen Freikirchen, so ist die neue theologische Annäherung umso bedenkenswerter. Hier geschieht kirchengeschichtlich Historisches.


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