Dürfen Christen bei Pegida mitmachen?

15. Jänner 2015 in Kommentar


Ein Pro & Kontra zu den Demonstrationen der „Patriotischen Europäer gegen die Islamisierung des Abendlandes“ (Pegida), welche derzeit die Nation spalten.


Wetzlar (kath.net/idea) Die Demonstrationen der „Patriotischen Europäer gegen die Islamisierung des Abendlandes“ (Pegida) spalten die Nation. Halten sie die einen für eine nötige Bürgerbewegung, so verurteilen sie andere als fremdenfeindlich. Die Kirchen lehnen Pegida kategorisch ab. Darf man als Christ also nicht bei Pegida mitmachen, wie der frühere EKD-Chef Nikolaus Schneider meinte?

PRO
Bin ich für Pegida? Ich weiß nicht. Wenn der Weg nicht so weit wäre, hätte ich mir längst die Sache mal aus der Nähe angeschaut – schon wegen der unheimlichen Allianz von Politik, Medien und Kirche gegen Pegida – frei nach dem Motto: Wenn wir geschlossen und hart genug draufhauen, dann erübrigt sich „Volkes Stimme“ von selbst. Dass in wenigen Wochen spontan nahezu 20.000 Menschen auf die Straße gehen, das hat für mich mit „demos“ (= Volk) zu tun, auch wenn es Politikern und Medien nicht gefällt. Kann es sein, dass „Pegida“ etwas sieht, was in unserer „Demo-kratie“ keiner mehr sehen will? Was Pegida in der Öffentlichkeit ständig unterstellt wird, ist das genaue Gegenteil von dem, was in ihrem 19-Punkte-Programm zu lesen ist. Ein Gespräch gibt es bisher kaum, nur Verurteilung. Das ist ignorant und dreist. Es ist schlecht bestellt um unsere Demokratie, wenn einem aufbegehrenden Volk verwehrt wird, christliche Symbole zu erheben und Weihnachtslieder zu singen, wenn ihm verübelt wird, den Ruf von 1989 zu wiederholen: „Wir sind das Volk“, wenn Kirchen, die damals ihre Tore öffneten, heute das Licht ausmachen (wie der Dom in Köln) – und das nur, weil sich alle einig sind: Pegida hat eine Farbe, die zu unserem „bunt“ nicht passt.

Darf ein Christ bei Pegida teilnehmen? Das sollte jeder selbst entscheiden. Solange ich aber vergeblich nach einer Partei suche, die die mir wichtigen christlichen Werte vertritt, und solange ich mit Trauer wahrnehme, dass unsere Kirche sich offiziell immer öfter von den Aussagen der Heiligen Schrift entfernt, die die eigentliche Grundlage für Wohlstand und Demokratie ist, sage ich: Wohlauf, ihr Christen, Pegida kann durch eure Teilnahme nicht schlechter werden, nur besser. Und unsere Demokratie auch.

Der Autor, Markus Holmer (Klaber bei Güstrow), ist lutherischer Pfarrer in Mecklenburg. Sein Vater, Pfarrer Uwe Holmer, nahm 1990 den ehemaligen DDR-Staatsratsvorsitzenden Erich Honecker in seinem Pfarrhaus auf.

KONTRA
Das ist eine Frage, die jeder Bürger für sich entscheiden muss. Die Demonstranten nehmen ihr grundgesetzlich geschütztes Recht auf freie Meinungsäußerung wahr, und mehr ist dazu nicht zu sagen. Ich selbst beteilige mich nicht, weil ich die Forderungen für überwiegend verfehlt halte.

Welche Regeln der Einwanderung in unserem Land gelten sollen, darüber kann man unterschiedlicher Meinung sein und streiten – in den zurückliegenden Jahrzehnten sind viele Fehler gemacht worden. So sind in einigen Großstädten Westdeutschlands Parallelgesellschaften entstanden. Worüber aber nicht gestritten werden kann, ist die Verpflichtung des Staates zu Humanität; sie ist sein tragender Grund. Und dazu gehören Asylgewährung und die Aufnahme von Flüchtlingen. Der Anteil der Moslems liegt in Deutschland bei etwa sechs Prozent, so dass von drohender Islamisierung nicht die Rede sein kann. Sorge bereitet aber die spannungsreiche und außerordentlich labile Situation der arabischen Welt, die den islamistischen Terrorismus freisetzt.

Es gibt in Deutschland zwar ungute Entwicklungen in der Medienlandschaft, aber keine „Lügenpresse“. Vielmehr werden die allermeisten Journalisten ihrer Verantwortung im Großen und Ganzen gerecht. Unter anderem wird intensiv und zumeist differenziert über Pegida berichtet. Die Demokratie in unserem Land wird weniger durch Politiker, sondern eher durch Wahlabstinenz und die Kultivierung eines allgemeinen Gefühls der Verdrossenheit gefährdet. Interessierten stehen mehr Mitwirkungsmöglichkeiten denn je offen. „Wir sind das Volk“ ist eine Reminiszenz an die Ereignisse vor 25 Jahren, aber zu Unrecht. Damals galt es, sich von einem diktatorischen Regime zu befreien; heute wenden sich Bürger an Politiker, die vom Volk demokratisch gewählt wurden.

Der Autor, Jochen Bohl (Dresden), ist Landesbischof der Evangelisch-Lutherischen Landeskirche Sachsens.


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