Unser Land hat seinen Kompass verloren

19. Jänner 2015 in Kommentar


Zur Debatte um christliche Werte, Pegida und den Islam - Warum schalten die Kirchen die Lichter am Kölner Dom oder anderswo nicht bei anderen Themen aus? - Ein Kommentar von Michael Inacker


Berlin (kath.net/ idea.de)
Vor der Auseinandersetzung kommt die Selbstvergewisserung. Doch weil wir uns selbst nicht mehr gewiss sind, führen die Debatten zum Umgang mit dem Islam oder „Pegida“ längst in die falsche Richtung. Unsere Unfähigkeit, richtige Antworten zu finden, hängt damit zusammen, dass unser Land seinen Kompass verloren hat. Wer seine Werte und seine christlichen Wurzeln nicht mehr kennt, sie infrage stellt oder nicht pflegt, muss sich nicht wundern, wenn er die Tagesordnung von einer so lebendigen Religion wie dem Islam oder von Aktivisten wie „Pegida“ bestimmt bekommt.

Unser Problem ist: Wir verstecken uns als Christen

Wer beruflich in islamischen Ländern unterwegs ist, weiß, wie sehr man bei muslimischen Gesprächspartnern auf Interesse stößt, wenn man sagt, dass man „überzeugter evangelischer Christ“ ist. Unser Problem mit dem Islam – jenseits des Terrorismus – ist unser Verstecken, das Kleinmachen, die Suche nach falschen Verbündeten.

Wo die Kirchen überall stumm bleiben

Wir führen in Deutschland und Europa Ersatz- und Scheingefechte. „Pegida“ und Teile ihrer engstirnigen Initiatoren muss man nicht mögen, doch hier plötzlich sein christliches Selbstbewusstsein zu entdecken, ist billig. Mit der medialen Phalanx über ein letztlich immer noch Häuflein herzufallen, während die wirklichen Gefahren doch woanders liegen, bringt zwar den Kirchen Applaus – doch von welcher Seite? Warum schalten die Kirchen die Lichter am Kölner Dom oder anderswo nicht bei anderen Themen aus? Dass in Thüringen die SED-Nachfolger von der Linkspartei, eine Partei mit klarem anti-kirchlichen Programm, inzwischen den Regierungschef stellen, führt zu dröhnendem kirchlichen Schweigen. Schmusekurs mit Rot-Grün Dass in Brandenburg der Personalrat im Bildungsministerium keine Sternsinger mehr empfangen möchte, weil man die Religion aus dem öffentlichen Raum verbannen will, dass in einigen Gemeinden „Weihnachts“märkte in „Winter“märkte umbenannt werden, um religiöse Gefühle nicht zu verletzten, dass in Brandenburg SPD und Linkspartei den Religionsunterricht immer weiter aushöhlen, bis nichts mehr übrig bleibt, führt zu keinem Protest, sondern es bleibt beim Schmusekurs mit dem rot-grünen Mainstream.

Welcher deutsche Bischof fliegt nach Nigeria?

Der Rückzug der christlichen Religion in Deutschland ist im vollen Gange. Wir Christen werden im Jahr 2050 dafür dankbar sein, wenn man uns wenigstens in Ruhe lässt. Doch die Kirchenleitungen haben längst den Blick für die Prioritäten verloren. Verwöhnt vom immer noch öffentlich-rechtlichen Status suchen sie Bedeutung dort, wo sich andere längst tummeln. Mutig ist das nicht. Warum fährt keine große Abordnung von evangelischer und katholischer Kirche sowie dem Lutherischen Weltbund in die Krisenregion Nigerias, um dort für Sicherheit der Christen gegen islamische Extremisten einzustehen und einem korrupten – christlichen – Regime die Leviten zu lesen? Das wäre mutig – anders, als am Dom das Licht auszumachen.

Der Autor, der Manager und Journalist Michael Inacker (Kleinmachnow bei Potsdam), ist
(ehrenamtlicher) Vorsitzender der Internationalen Martin Luther Stiftung (Erfurt).)


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