Wenn man das erste Gebot wörtlich nimmt

3. Februar 2015 in Kommentar


Zur umstrittenen Predigt des Bremer Pastors Olaf Latzel. Von Jan Fleischhauer (idea)


Bremen (kath.net/idea) Du sollst keine anderen Götter neben mir haben, spricht der Herr. So hat es Moses überliefert, als er vom Berg Sinai hinabstiegt. Der Satz ist ziemlich eindeutig, da gibt es nichts zu deuteln – leider ist er mit dem modernen Toleranzgebot nur schwer vereinbar. Wer keine Götter neben sich duldet, hat wenig verstanden von der Selbstverpflichtung, andere nicht abzuwerten oder in irgendeiner Form zu kränken.

Welchen Ärger man sich einhandelt, wenn man das erste Gebot wörtlich nimmt, hat gerade der Bremer Pastor Olaf Latzel erfahren. In einer Sonntagspredigt hatte er seine Gemeinde ermahnt, dass es für einen Christenmenschen nur einen Gott geben könne – also keine Buddha-Statuen mehr auf der Kommode, kein Yoga-Retreat, indem man im Einklang mit Shiva zu atmen lernt, und auch kein muslimisches Zuckerfest, um seine Verbundenheit mit dem Islam zu demonstrieren. Seitdem gilt der Mann als „Hassprediger“, den man besser unter Aufsicht stellt. Der oberste Repräsentant der Evangelischen Kirche in Bremen spricht von „geistiger Brandstiftung”. Auch die Staatsanwaltschaft ist schon eingeschaltet.

Die EKD setzt auf einen religiösen Stuhlkreis

Kaum eine Idee liegt der evangelischen Kirche in Deutschland so am Herzen wie die Ökumene. Statt das Trennende zu betonen, nimmt man lieber in den Blick, was einen mit anderen Religionen verbindet, wozu in jedem Fall schon einmal die erfreuliche Tatsache gehört, dass man sich darauf verständigen kann, dass es überhaupt so etwas wie einen Gott gibt. „House of one“ heißt die aktuelle Variante dieser Form des religiösen Stuhlkreises, die allerdings außerhalb der EKD ein eher verhaltenes Echo findet.

Der Islam nimmt keine Rücksicht

Kein Imam, der etwas auf sich hält, käme auf die Idee, neben Mohammed weitere Propheten gelten zu lassen, damit sich Andersgläubige besser fühlen. Tatsächlich nimmt der Islam wenig Rücksicht auf die Konkurrenz, wie seine Missionsbemühungen zeigen. Auch der Katholizismus erweist sich als ziemlich stuhlkreisresistent. Ich habe schon länger den Verdacht, dass es bei der Ökumene vor allem darum geht, von den Katholiken im Nachhinein die Absolution zu erhalten, dass man vor 500 Jahren die gemeinsame Kirche verlassen hat.

Wenn schon das Kirchengeläut stört

Das eigentliche Skandalöse an Leuten wie Latzel besteht darin, dass sie ihren Glauben noch ernst nehmen. In einer Gesellschaft, in der schon das sonntägliche Kirchengeläut als Störung empfunden wird, muss jede Versammlung von Leuten, für die Gott keine Chiffre, sondern lebendige Realität ist, Beklemmung auslösen. Erst wenn sich eine Religion so weit säkularisiert hat, dass sie nahezu unsichtbar geworden ist, gilt sie als gesellschaftlich verträglich.

Die eigentliche Pointe seiner Predigt hat freilich auch der Bremer Heißsporn verpasst. Wo von Ketzerei und Apostasie die Rede ist, kommt es entscheidend darauf an, wer zuerst zum Glauben gefunden hat. Wenn es um die Nachfolge Christi geht, liegt die katholische Kirche zeitlich gesehen uneinholbar vorn.

Der Autor, Jan Fleischhauer (Berlin), ist Kolumnist bei Spiegel Online.


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