Behindertenanwalt Buchinger: Spätabtreibung "schreiendes Unrecht"

6. Februar 2015 in Österreich


Früherer SPÖ-Sozialminister: "Am unerträglichsten ist die Vorstellung, dass wenige Stunden vor der Geburt ein lebensfähiges Kind mit einem Stich ins Herz getötet wird."


Wien (kath.net/KAP) Behindertenanwalt Erwin Buchinger hat seine Vorbehalte gegen die gesetzlich erlaubte Möglichkeit einer Spätabtreibung von Kindern wegen Behinderung unterstrichen. Er halte die eugenische Indikation für eine "schreiende Ungerechtigkeit und Diskriminierung, die es seit 1975 gibt und die einfach so hingenommen wird", sagte Buchinger in einem Interview der "Kleinen Zeitung" vom Donnerstag.

Die Katholische Aktion Österreich (KAÖ) hatte am Montag das auch in der parlamentarischen Enquetekommission "Würde am Ende des Lebens" vom Behindertenanwalt und früheren SPÖ-Sozialminister vorgebrachte Anliegen, hier eine Gesetzesänderung vorzunehmen, unterstützt. Nach geltender Gesetzeslage können im Mutterleib heranwachsende Kinder bei Vorliegen oder Verdacht auf körperliche oder geistige Behinderung bis kurz vor der Geburt straffrei abgetrieben werden.

Vor allem in der SPÖ gebe es "starke Vorbehalte" gegen eine Abschaffung der eugenischen Indikation, "was mir besonders wehtut, weil ich aus dieser Bewegung komme", sagte Buchinger. Besonders die SPÖ-Frauen fürchteten, "dass damit die Fristenlösung insgesamt unter Druck kommen könnte". Ausgeräumt werden könne diese Furcht, indem klargemacht wird, dass mit einer Gesetzesänderung nicht die Fristenregelung als ganze "ausgehebelt" werden soll. "Genau das rate ich meinen Freunden in der katholischen Kirche und anderswo", so Buchinger. In dieser Hinsicht nehme er "Bewegung wahr".

Als mögliches Vorbild verwies der Behindertenanwalt auf die deutsche Regelung, wo eine Abtreibung nach einer Bedenkfrist von drei Tagen mit verpflichtender Beratung möglich sei. Er "verstehe, dass man mit dieser Frage ringt", und sei nicht dafür, die Hürden zu hoch zu legen, so Buchinger. "Ich bin selber Vater eines behinderten Kindes, es verändert das Leben. Wenn man sich ernsthaft damit auseinandersetzt und dann entscheidet, ich kann es nicht, macht es das für mich viel erträglicher." Dann sei es "kein Werturteil über behindertes Leben, sondern über einen selbst".

Wenn schon eine Abtreibung erfolge, "dann möglichst früh", sagte Buchinger. "Am unerträglichsten ist die Vorstellung, dass wenige Stunden vor der Geburt ein lebensfähiges Kind mit einem Stich ins Herz getötet wird."

Behindertensprecher orten Diskriminierung

Auch ÖVP-Behindertensprecher Franz-Joseph Huainigg sieht in der deutschen Gesetzeslage ein mögliches Vorbild für eine österreichische Neuregelung. In den "Salzburger Nachrichten" (SN) hatte er am Dienstag auch kritisiert, dass in Österreich keine Statistiken über Schwangerschaftsabbrüche geführt werden; zumindest aus der Zahl der Spätabtreibungen sollte "kein Geheimnis gemacht" werden. Als "einfach unerträglich" bezeichnete es Huainigg, dass ein Fetozid bei bloßem Verdacht auf eine Behinderung per Herzstich erfolgen kann. Dies dürfe nur nach entsprechendem Entscheid einer Ethikkommission erlaubt sein.

SPÖ-Behindertensprecherin Ulrike Königsberger-Ludwig erklärte in derselben SN-Ausgabe, zweifellos sei die eugenische Indikation eine "Diskriminierung behinderten Lebens per Gesetz". Eine "wertfreie" Diskussion darüber sei nötig. Eine Abtreibungsstatistik kann die SPÖ-Mandatarin allerdings wenig abgewinnen: "Was sollte sich dadurch ändern?"

Die Katholische Aktion und viele andere Organisationen fordern seit Jahren die Streichung der eugenischen Indikation. "Kein Mensch darf über Wert oder Unwert menschlichen Lebens entscheiden", betonte KAÖ-Präsidentin Gerda Schaffelhofer am Montag. Sie appellierte an alle Nationalratsabgeordneten, "für dieses schwerwiegende Problem endlich ernsthaft Lösungen zu suchen". Die Fristenregelung insgesamt war in der KAÖ-Aussendung kein Thema.

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