Rezeptpflicht für 'Pille danach' aufgehoben

7. März 2015 in Deutschland


Kritik kommt von Ärzteverbänden und den „Christdemokraten für das Leben“


Berlin/Glashütten (kath.net/idea) Der Bundesrat hat am 6. März die Rezeptpflicht für die „Pille danach“ aufgehoben. Die Zustimmung der Länder erfolgte ohne Aussprache. Das Präparat ist ab dem 15. März in allen Apotheken erhältlich. Ausgenommen ist der Versandhandel. Kritik kommt von den „Christdemokraten für das Leben“ (CDL/Nordwald bei Münster) und von Medizinern. Konkret geht es um das Präparat EllaOne mit dem Wirkstoff Ulipristalacetat (UPA) sowie um weitere Präparate mit dem Wirkstoff Levonorgestrel (LNG). Die „Pille danach“ soll eine ungewollte Schwangerschaft in den ersten fünf Tagen nach ungeschütztem Sex vermeiden. Die Bundesvorsitzende der CDL, Mechthild Löhr (Glashütten/Taunus), bezeichnete die Wirkstoffe als eine sehr hohe hormonelle Belastung und daher gefährlich für die Gesundheit. Es könne im Einzelfall – vor allem, wenn das Hormonpräparat wiederholt eingenommen werde – zu erheblichen Nebenwirkungen kommen.

Zudem sei in nicht seltenen Fällen bis zu fünf Tage nach dem Geschlechtsverkehr bereits ein Embryo entstanden. Dann könnten die Präparate laut internationalen Studien auch frühabtreibend wirken. Es habe beim Wirkstoff UPA bis heute niemand zweifelsfrei belegen können, dass keine derartige Wirkung bestehe. Für UPA könne dies sogar als gesichert gelten.

Durch die Freigabe werde die „Pille danach“ zu einem jederzeit frei verfügbaren „Lifestyle-Produkt“. Es sei zu befürchten, dass Frauen in Apotheken nicht ausreichend beraten werden. Löhr: „Hier geht es doch auch um Umsätze.“ Dass die freigegebenen Präparate in der Bundesratsverordnung als „Notfallkontrazeptiva“ beschrieben werden, kritisierte Löhr scharf: „Seit wann ist ungeschützter Verkehr ein ,Notfall‘? Staatlicherseits merken wir gar nicht mehr, welche Anmaßungen hinter solchen Formulierungen stecken.“ Der deutschen Politik warf sie vor, den nationalen Handlungsspielraum nicht ausreichend ausgeschöpft zu haben. Die EU-Kommission habe zwar für die gesamte Europäische Union die Rezeptfreiheit verlangt: „Reproduktive Gesundheit fällt aber in die Hoheit der Länder. Andere Staaten haben signalisiert, dass sie die Richtlinie nicht umsetzen wollen.“

Großer Markt für die Pharmaindustrie

Vor der Bundesratsentscheidung hatten viele Mediziner Kritik an der Freigabe geübt. Der Kongresspräsident der Frauenheilkundetagung „Foko 2015“, Werner Harlfinger (Mainz), äußerte gegenüber der Deutschen Presse-Agentur dpa die Sorge, dass die Zahl der ungewollten Schwangerschaften und der Abtreibungen steigen wird. Zudem seien die Präparate nicht für schwergewichtige Frauen geeignet. Ab 75 Kilogramm lasse die Wirkung von LNG nach, bei über 90 Kilogramm auch bei UPA. Die Vizepräsidentin der Deutschen Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe (DGGG), Prof. Birgit Seelbach-Göbel (Regensburg), glaubt, dass viele Frauen die „Pille danach“ einnehmen werden, die sie gar nicht brauchten, weil sie zum Zeitpunkt des Geschlechtsverkehrs gar nicht schwanger werden könnten. Gegenüber dpa sagte sie: „Es sieht nach Freiheit aus. Aber tatsächlich ist es vor allem ein großer Markt. Und die Pharmaindustrie profitiert.“ Die DGGG hatte sich gemeinsam mit dem Berufsverband der Frauenärzte sowie der Deutschen Gesellschaft für Gynäkologische Endokrinologie und Fortpflanzungsmedizin in einer Erklärung gegen die Freigabe gewandt. Begründung: „Die Rezeptpflicht und die frauenärztliche Beratung haben dazu beigetragen, dass Deutschland in Europa und weltweit mit seiner niedrigen Rate an Schwangerschaftsabbrüchen einen Spitzenplatz einnimmt.“ Eine medizinisch kompetente und vertrauliche Beratung in der Apotheke sei „problematisch und in den meisten Fällen unmöglich“.



© 2015 www.kath.net