Die falsche Sünderin

12. März 2015 in Aktuelles


Italienische Reporterin schneidet heimlich Beichtgespräche mit. Von Thomas Jansen (KNA)


Rom (kath.net/KNA) Abgehörte Telefonate, die Zeitungen im Wortlaut abdrucken, bringen zwischen Verona und Palermo kaum noch jemanden auf die Palme. Doch wenn Intimstes aus den Beichtstühlen der Nation an die Öffentlichkeit dringt, dann hört auch im katholischen Italien der Spaß auf. Das zeigt in diesen Tagen der Beichtstuhl-Skandal in Bologna. Eine Reporterin der dortigen Tageszeitung «Il Nazionale» suchte inkognito Priester zur Beichte. Ihre Sündenbekenntnisse als lesbische Mutter, in wilder Ehe lebende Frau oder wiederverheiratete Geschiedene schnitt sie samt Reaktionen der Beichtväter heimlich mit. Die Empörung war groß, als Hunderttausende in Norditalien die Gespräche in dieser Woche in einer Artikel-Reihe unter dem Titel «Sünder und Sünden» in insgesamt drei Zeitungen nachlesen konnten.

Seinen «entschiedenen Protest» legte der Kardinal von Bologna, Carlo Caffarra, ein. Es handele sich um eine «schwerwiegende Beleidigung» der «Wahrheit eines Sakraments des christlichen Glaubens» und eine «große Respektlosigkeit gegenüber den Gläubigen», heißt es in einer Stellungnahme. Kritik kam auch vom Vorsitzenden des italienischen Journalistenverbandes, Enzo Iacopino. Die Berichte überschritten die Regeln des Berufsstandes. Der Kollegin sei es nur um den Skandal gegangen, sagte Iacopino der katholischen Tageszeitung «Avvenire» am Donnerstag.

Die Reporterin selbst sieht das anders: Die heimlichen Mitschnitte seien der einzige Weg gewesen, «um ohne Filter zu erfahren, was heute in der Kirche passiert», sagte Laura Alari. Sie sei zunächst allerdings perplex gewesen, als der Chefredakteur ihr einen solchen Text vorgeschlagen habe. Denn als Katholikin sei ihr bewusst, dass sie damit ein Sakrament verletze. Alari fühlte sich nach eigenen Angaben auch durchaus «schlecht», als sie die fingierten Beichten vortrug. Denn sie habe «hervorragende Priester» getroffen, die ihr viel Zeit gewidmet hätten. Auch der Chefredakteur von «Il Nazionale», Andrea Cangini, verteidigte die Reportagen. Ein Sakrament habe schließlich nur für den einen Wert, der daran glaube. «Das ist nicht mein Problem».

Möglicherweise könnte der Fall aber bald ein Problem für die vatikanische Glaubenskongregation werden. Denn die Aufzeichnung und Veröffentlichung von Beichtgesprächen zählt nach dem katholischen Kirchenrecht zu den «schwerwiegenden Delikten», die seit 2010 in ihre Zuständigkeit fallen. Dazu gehören etwa auch sexueller Missbrauch und die Feier einer schwarzen Messe. Bis 1988 sah das katholische Kirchenrecht dafür sogar die Höchststrafe vor: die Exkommunikation und zwar automatisch, sobald die Tat begangen wird. Heute wird das Strafmaß im Einzelfall festgelegt.

Das Genre «Beichtstuhl-Reportage» hat in Italien, anders als in Deutschland, Tradition. 1973 erschien das Buch «Sex im Beichtstuhl», das 112 Beichten im Wortlaut enthielt, die von zwei Journalisten heimlich mitgeschnitten worden waren. Die Antwort des Vatikan folgte damals prompt: Noch am gleichen Tag erklärte die Glaubenskongregation, dass eine «Verunglimpfung des Bußsakraments» automatisch die Exkommunikation nach sich ziehe.

Glimpflicher davon kam 20 Jahre später ein anderer italienischer Journalist, der ebenfalls ein Aufnahmegerät in den Beichtstuhl schmuggelte. Diesmal sprach der «Osservatore Romano» lediglich von einem «äußerst schwerwiegenden Missbrauch» und einer «blasphemischen Initiative». Zuletzt erregte die Zeitschrift «L'Espresso» 2007 mit einer derartigen Reportage aus 24 Kirchen in fünf italienischen Städten die Gemüter.

Es war ein passender Zufall, dass Papst Franziskus am Donnerstag im Vatikan ausgerechnet eine lange Ansprache über die Beichte hielt. Diese dürfe weder «Folter» noch «unangenehmes Verhör» sein, sagte er.

Es gehe um eine «befreiende und menschliche Begegnung». Und während Bologna debattiert, greifen in Rom die Spekulationen um sich: Wird Franziskus an diesem Freitag im Rahmen eines Bußgottesdienstes im Petersdom selbst die Beichte ablegen? So zumindest hat er es im vergangenen Jahr spontan vor laufenden Kameras getan – allerdings ohne Aufnahmegerät.

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