‚Auch ich verurteile dich nicht’

23. März 2015 in Aktuelles


Franziskus in Santa Marta: ohne Barmherzigkeit gibt es keine Gerechtigkeit. Das Leiden des Volkes Gottes unter lästerlichen, geschäftemacherischen und steifen Richtern. Von Armin Schwibach


Rom (kath.net/as) In seiner Predigt bei der heiligen Messe am Montag der fünften Woche der Fastenzeit in der Kapelle des vatikanischen Gästehauses „Domus Sanctae Marthae“ kommentierte Papst Franziskus die Lesungen vom Tag (Dan 13,1-9.15-17.19-30.33-62; Joh 8,1-11) und konzentrierte sich dabei auf die Gestalten der drei Frauen und deren drei Richter: eine unschuldige Frau, Susanna, eine Sünderin und Ehebrecherin und eine arme bedürftige Witwe: „Alle drei sind laut einigen Kirchenvätern Allegorien der Kirche: die heilige Kirche, die sündige Kirche und die bedürftige Kirche“.

Die drei Richter dagegen seien böse und korrupt. Franziskus ging zunächst auf das von den Schriftgelehrten und Pharisäern gefällte Urteil über die Ehebrecherin ein, die diese zu Jesus brächten. Ihr Herz sei voller Verdorbenheit und Rigidität. Sie fühlten sich rein, da sie dem Buchstaben des Gesetzes folgten. Das „Gesetz sagt so, und das muss getan werden“:

„Doch diese da waren keine Heiligen, sie waren verdorben, verdorben, weil es eine derartige Rigidität nur in einem Doppelleben geben kann, und die da, die diese Frauen verurteilten, gingen dann hin, um ihnen hinter dem Rücken nachzustellen, im Geheimen, um etwas Spaß zu haben. Die Steifen sind – ich benutze das Adjektiv, mit dem sie Jesus bezeichnete – heuchlerisch: sie führen ein Doppelleben. Die, die verurteilen – denken wir an die Kirche: alle drei Frauen sind Allegorien der Kirche – die, die mit Steifheit die Kirche verurteilen, führen ein Doppelleben. Mit der Steifheit kann man nicht einmal atmen“.

Der Papst lenkte dann die Aufmerksamkeit auf die beiden alten Richter, die eine Frau, Susanna erpressten, damit sie sich ihnen hingebe. Doch sie widerstehe: „Das waren lästerliche Richter. Sie waren durch das Laster verdorben, in diesem Fall durch das Laster der Wollust. Und es heißt: wenn da dieses Laster der Wollust ist, wird es mit den Jahren wilder, grausamer, böser“.

Schließlich sei da der Richter, an den sich die arme Witwe wende. Dieser Richter „fürchtete Gott nicht und kümmerte sich um niemanden: ihm war alles egal, er interessierte sich nur für sich selbst“. Dieser Richter sei ein Geschäftemacher gewesen, „ein Richter, der mit seinem Richterberuf Geschäfte machte“. Er „war ein durch das Geld, durch das Prestige verdorbener Mann“. Diese Richter – der Geschäftemacher, die lästerlichen und die steifen Richter – „kannten kein Wort der Barmherzigkeit, sie wussten nicht, was Barmherzigkeit ist“:

„Die Verdorbenheit und Korruption brach sie in weite Ferne von der Möglichkeit, die Barmherzigkeit zu verstehen, barmherzig zu sein. Und die Bibel sagt uns, dass gerade in der Barmherzigkeit das rechte Urteil liegt. Und die drei Frauen – die Heilige, die Sünderin und die Bedürftige, Allegorien der Kirche – leiden unter diesem Mangel an Barmherzigkeit. Auch heute: wenn das Volk Gottes auf diese drei Richter trifft, leidet es unter einem Urteil ohne Barmherzigkeit, dies sowohl im zivilen als auch im kirchlichen Bereich. Und wo keine Barmherzigkeit ist, ist kein Gerechtigkeit. Wenn das Volk Gottes aus freiem Willen näher kommt, um um Vergebung zu bitten, um gerichtet zu werden – wie oft, wie oft trifft es auf einen von denen da!“

Es treffe auf die lästerlichen Richter, die dazu fähig seien, es auszunutzen, „und das ist eine der schwersten Sünden“. Es stoße auf die Geschäftemacher, „die jener Seele keinen Sauerstoff geben, keine Hoffnung“. Und es treffe auf „die Steifen, die in den Reuigen das bestrafen, was in ihrer Seele verborgen ist“. Darin bestehe der Mangel an Barmherzigkeit.

„Ich möchte nur eines der schönsten Worte des Evangeliums anführen, das mich so sehr bewegt“, so Franziskus abschließend: „‚Hat dich keiner verurteilt?’ – ‚Auch ich verurteile dich nicht’. ‚Auch ich verurteile dich nicht’: eines der schönsten Worte, da es voller Barmherzigkeit ist“.


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