Schönborn: 'Papst darf reden, wie ihm der Schnabel gewachsen ist'

30. März 2015 in Chronik


Wiener Kardinal in "Presse"-Gastbeitrag: Franziskus führt "erfreuliche Enthöhung" des Person des Papstes fort und ist "einfacher Mensch" - Aufruf zu mehr Wertschätzung und Hinhören in der öffentlichen Debatte


Wien (kath.net/KAP) Der Papst darf in seinen Äußerungen auch "nach normalem Menschen klingen" und soll "so reden, wie ihm der Schnabel gewachsen ist": Das hat Kardinal Christoph Schönborn in einem Gastbeitrag für die "Presse" (Sonntag) dargelegt. Das mitunter saloppe Reden und die unbekümmerte Wortwahl von Franziskus seien Teile einer "erfreulichen Enthöhung" der Person des Papstes, so der Wiener Erzbischof, der zugleich einen Verlust von Debattenkultur bedauerte: Ein bloßes "lauern auf Fußangeln" und reflexartige Empörungen über Einzelsätze bringe die Auseinandersetzung nicht weiter.

Relativ neu sei die Auffassung, dass der Papst "einer von uns einfachen Menschen" sei, legte Schönborn dar. Zuvor habe das Petrusamt im 19. Jahrhundert eine "zeremonielle und protokollarische Überhöhung und Entrückung" erfahren, was der Kardinal auch als Reaktion auf den politischen Machtverlustes beschrieb. In der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts habe sich dies umgekehrt: Die Papstkrone, die dreistöckige Tiara oder die von zwölf Männern getragene Sänfte seien ebenso wie der Majestätsplural entsorgt und das Protokoll gelockert worden.

Papst Franziskus setze dies fort und unterlaufe einer Gleichsetzung von Amt und Person, die unangebracht sei: Er mache vollends deutlich, "dass er sich von Gott in eine große Aufgabe gestellt sieht, aber der Mensch Bergoglio nicht in erster Linie Symbol oder Projektionsfläche ist, sondern einfacher Mensch. In aller Kleinheit und Fehlerhaftigkeit. Einer von uns", so der Vorsitzende der österreichischen Bischofskonferenz.

Lieber verbeult als wasserdicht

Wenn verständliche und natürliche Rede für Franziskus wichtiger sei als hundertprozentige Korrektheit, entspreche dies nur seinem eigenen Wunsch, "lieber eine verbeulte Kirche zu haben als eine, die sich ängstlich abschirmt". Der Papst - ein "Nachfolger eines Fischers aus Galiläa, der dem Sohn eines Zimmermanns nachgefolgt ist", wie Schönborn hervorhob - widerlaufe damit der Tendenz, "alles, was aus dem Vatikan kommt, zuerst theologisch wasserdicht zu machen und jedes Missverständnis von vornherein zu vermeiden".

Heute seien "halbamtliche" Wortmeldungen des Papstes etwa in Interviews oder E-Mails weltweit bekannt noch bevor sie sein "Hofstaat" mitbekomme - der es zuvor stets "akribisch weggefiltert" habe, wenn sich ein Papst manchmal "einfach nur als Seelsorger, als Theologe, als Chef oder Freund" geäußert hatte. Ausdrücklich nahm der Kardinal dabei auch Bezug auf markante Aussagen von Franziskus wie etwa "Vermehrung wie Karnickel" oder das Lob für den Vater, der seinen Sohn nicht ins Gesicht schlägt.

Mit saloppen Äußerungen aus dem Stegreif etwa über Kindererziehung präjudiziere der Papst noch nicht die Lehre der katholischen Kirche, selbst wenn er - wie Bischöfe auch - besondere Verantwortung trage und daher nie "ganz einfach Privatmann" sein dürfe, betonte Schönborn. So habe das II. Vaticanum die Gläubigen zwar zu "aufrichtiger Anhänglichkeit" gegenüber dem Papst und seinen Urteilen verpflichtet, genauso aber auch zum Erkennen an der Sprechweise, "wann ihr Hirte eine Glaubenslehre verbindlich auslegt und wann nicht".

Alternativen zum Shitstorm

Dass heute infolge des Vereinfachungs-Trends in der Sprache nur noch über Textschnipsel geredet werde und schon ein Satz einer 1.000-Wörter-Rede für einen "Shitstorm" reiche, hätten bereits andere Päpste erlebt, erinnerte Schönborn. So sei etwa die Afrikareise Benedikts XVI. stets nur auf den einzigen Satz beim Hinflug reduziert worden, der das Wort "Kondom" enthalten habe. Hier finde nur ein "Instant-Check von Textfragmenten" zur Einteilung des Sprechers in "Brav- und Böse-Schubladen" ein, kritisierte der Erzbischof. Wirkliche Debatte oder ehrfürchtiger Umgang mit dem Wort sei dies nicht.

Schönborn rief auf zu einer "Debattenkultur, die uns weiterbringt": Vordergründig sei bei dieser die gegenseitige Wertschätzung als Mensch, das Hinhören auf den Gesprächspartner und ein "Nachdenken, ob das, was eine meint, wahr ist" - nicht ein Urteil, "ob das, was einer gesagt hat, zulässig, anständig, korrekt, opportun ist". Wegweisend sei in dieser Frage Ignatius von Loyola (1491-1556) gewesen: Jeder müsse mehr dazu bereit sein, "die Aussage des Nächsten für wahr zu halten als sie zu verurteilen", solle sich um ein Verstehen dessen bemühen, was er nicht rechtfertigen kann, und, wo erforderlich, "in Liebe verbessern", zitierte der Wiener Erzbischof den Jesuiten-Gründer.

Antwort des Kardinals Schönborn auf die Frage: ´Gibt es eine Chance für Nicht-Priester Papst zu werden?´


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Archivfoto Kardinal Schönborn auf dem Petersplatz (c) Erzdiözese Wien


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