Dem radikalen Islam eine alternative Vision entgegenstellen

7. April 2015 in Kommentar


Islamkritikerin Ayaan Hirsi Ali: Wie im Kalten Krieg um Köpfe und Herzen der Menschen werben – Gegen eine Ideologie müsse man mit positiven Ideen zu Felde ziehen und ihr eine alternative Vision entgegenstellen.


Berlin (kath.net/idea) Dem radikalen Islamismus ist mit Waffengewalt nicht beizukommen. Vielmehr müsse man – ähnlich wie im Kalten Krieg – um die Köpfe und Herzen der Menschen werben. Diese Ansicht vertritt die somalisch-niederländische Islam-Kritikerin und ehemalige Politikerin Ayaan Hirsi Ali (Foto) in einem Gastbeitrag für die Tageszeitung „Die Welt“. „Jahrelang haben wir für Kriege gegen ‚Terror’ und ‚Extremismus’ Billionen ausgegeben“, schreibt sie. „Diese wären weitaus besser investiert worden, um muslimische Dissidenten zu schützen und ihnen die Plattformen und Ressourcen zu bieten, um dem gewaltigen Netzwerk der islamischen Zentren, Koranschulen und Moscheen, den Hauptverantwortlichen für die Ausbreitung der gefährlichsten Formen des Islamismus, etwas entgegenzusetzen.“

Während der Westen beobachtet und überwacht habe, sei es niemandem in den Sinn gekommen, eine wirkungsvolle Aufklärungsstrategie zu entwickeln: „Weil wir anfangs nicht wahrhaben wollten, dass islamischer Extremismus auch etwas mit dem Islam zu tun hat. Noch immer fixieren wir uns auf die Gewaltausbrüche, aber nicht auf die Anschauungen, die sie hervorrufen.“

Eine Internetplattform für muslimische Dissidenten

Wenn man diese Politik der kulturellen Nichteinmischung weiter betreibe, werde man sich aus der Logik des aktuellen Krieges niemals befreien: „Denn mit Luftschlägen, Kampfdrohnen oder sogar mit Bodentruppen allein lässt sich eine Ideologie nicht bekämpfen.“ Man müsse gegen sie mit positiven Ideen zu Felde ziehen und ihr eine alternative Vision entgegenstellen. Ali warb für gemeinsame Anstrengungen, die sich an den kulturellen Kampagnen des Kalten Krieges orientieren sollten, um Menschen vom islamischen Fundamentalismus abzubringen. Vorstellbar sei eine Plattform für muslimische Dissidenten, die ihre Botschaften über soziale Netzwerke verbreiteten. „Man stelle sich zehn reformorientierte Zeitschriften vor, die den einzelnen Ausgaben der IS-Zeitschrift ‚Dabiq’ oder des Onlinemagazins ‚Inspire’ von al-Qaida etwas entgegensetzen.“ Solche Strategien böten auch Gelegenheit, neue Bündnisse mit Gruppen des Islams einzugehen, „die wirklich für unsere Werte und Praktiken einstehen, mit den Verfechtern einer echten Reformation, die von den Staaten, Politikern und Imamen, die wir derzeit als Verbündete behandeln, verleumdet und marginalisiert werden“.

Im Kalten Krieg habe der Westen Dissidenten wie Alexander Solschenizyn, Andrej Sacharow und Vaclav Havel für ihren Mut gefeiert, dem Sowjetsystem von innen her die Stirn zu bieten: „Heute stellen viele Dissidenten – ehemalige Muslime und Reformer – den Islam infrage, werden aber im Westen entweder ignoriert oder als ‚nicht repräsentativ’ abgetan – ein schwerer Fehler.“ Ayaan Hirsi Ali ist Autorin des Buches „Reformiert Euch! Warum der Islam sich ändern muss“, das gerade erschienen ist.


© 2015 www.kath.net