Debatte über Auswirkungen des Anschlags in Tröglitz hält an

9. April 2015 in Deutschland


In der Nacht zu Samstag hatten Unbekannte ein Wohnhaus in Tröglitz angezündet und unbewohnbar gemacht. Im Mai sollten dort 40 Flüchtlinge einziehen. Die Ermittler gehen von einer rechtsextremen Tat aus.


Berlin/Köln (kath.net/KNA) Der Anschlag auf eine geplante Flüchtlingsunterkunft in Tröglitz vergangenes Wochenende steht weiter im Fokus von Politik und Kirchen. Nach Ansicht des evangelischen Pfarrers des Ortes in Sachsen-Anhalt, Matthias Keilholz, haben sich zahlreiche Einwohner vereinnahmen lassen von der Stimmungsmache gegen die Asylbewerberunterkunft. Die NPD habe sich des Themas angenommen, erklärte Keilholz am Mittwoch in Berlin dem Sender RBB. Viele hätten dabei gar «nicht gemerkt, wer dieses Thema besetzt hat». Keilholz bekräftigte, er hoffe auf Signale «aus der Politik, aus der Kirche, aus Vereinen, die deutlich sagen: Wir nehmen Menschen auf, die in Not sind. Das ist unsere allererste Menschenpflicht.» In Tröglitz selbst gingen immer mehr Menschen auf die Straße, die sich für Flüchtlinge einsetzen wollten. Der Anschlag habe die Menschen wachgerüttelt, so Keilholz.

In der Nacht zu Samstag hatten Unbekannte ein Wohnhaus in Tröglitz angezündet und unbewohnbar gemacht. Im Mai sollten dort 40 Flüchtlinge einziehen. Die Ermittler gehen von einer rechtsextremen Tat aus. Am Dienstag wurde bekannt, dass in dem Ort zunächst nur eine Gruppe von zehn bis zwölf Flüchtlingen in privaten Unterkünften aufgenommen werden soll. An der Gesamtzahl von 40 Flüchtlingen solle sich aber nichts ändern.

Umstritten ist weiter, ob Tröglitz ein rein ostdeutsches Problem ist. Ein Sprecher des Bundesinnenministeriums erklärte, es gebe zwar überdurchschnittlich starke rechtsextreme Gefährdungen in den neuen Bundesländern. Man könne aber nicht von einem rein ostdeutschen Phänomen sprechen. Es gebe solche Gefährdungen auch in Nord- und Süddeutschland.

Der Europabeauftragte der Flüchtlingsorganisation Pro Asyl, Karl Kopp, sagte im Deutschlandfunk, es gebe überall die Gefahr von derartigen Brandanschlägen, doch die Situation in Tröglitz habe «eine eigene Qualität». Das habe etwa der Rücktritt des Bürgermeisters Markus Nierth gezeigt. Nierth war Anfang März wegen rechtsextremer Anfeindungen zurückgetreten.

Momentan sehe er die Sicherheit der Flüchtlinge, die nach Tröglitz kommen sollen, nicht gewährleistet, so Kopp weiter. Das Wegschauen von Mitbürgern und Behörden müsse ein Ende haben. Dafür seien bessere Vorbereitungen bei der Unterbringung von Flüchtlingen entscheidend.

Der Soziologe Johannes Kiess erklärte im Deutschlandradio Kultur, Fremdenfeindlichkeit sei besonders in solchen Regionen feststellbar, in denen Bürger wenig Kontakt zu ausländischen Mitbürgern hätten. Dementsprechend sei der Anteil ausländerfeindlich eingestellter Menschen in den ostdeutschen höher als in westlichen Bundesländern.

Der Berliner Rechtsextremismus-Forscher Klaus Schroeder forderte eine offene Diskussion. Viele Menschen lehnten nicht Kriegsflüchtlinge ab, sondern die sogenannten Wirtschaftsflüchtlinge. Hier müsse die Politik Stellung beziehen, sagte Schroeder im Deutschlandfunk.

Die Türkische Gemeinde in Deutschland forderte die Bundesregierung auf, das Thema zur «Chefsache» zu machen. Rassismus und Extremismus seien ein bundesweites Problem und müssten auch dementsprechend bekämpft werden.

ARD: Tröglitz nach dem Neonazi-Brandanschlag auf das Flüchtlingswohnheim - Evangelischer Pfarrer Matthias Keilholz


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