«Macht's wie der Chef»

22. April 2015 in Aktuelles


Ein Blog-Beitrag stößt Debatte über Kirchen und ihre Sprache an - Viele Predigten seien kaum verständlich - und vergraulten selbst treue Gottesdienstbesucher. Von Joachim Heinz (KNA)


Köln (kath.net/KNA) Mit diesem Echo hatte der Kölner Strategieberater und Blogger Erik Flügge wohl doch nicht gerechnet: «Ich sehe in den Zugriffszahlen, dass gerade tausende diesen Artikel lesen», schreibt er auf seiner Internetseite www.erikfluegge.de (www.erikfluegge.de). Darunter seien auch «eine ganze Menge Theologinnen und Theologen». Die meisten äußerten sich lobend, einige seien aber auch «stinksauer». Dem Blogger gefällt's: Wenn man die Dinge auf den Punkt bringe und darauf verzichte, alles zu Tode zu differenzieren, entstünden Emotionen und ein offener Dialog.

Bereits am Sonntag veröffentlichte Flügge - in durchaus drastischen Tönen - einen Appell zu einer verständlicheren Sprache in der Kirche: «Sorry, liebe Theologen, aber ich halte es nicht aus, wenn ihr sprecht.» In vielen Predigten würden «verschrobene, gefühlsduselnde Wortbilder» aneinander gereiht. Und dann wunderten sich die Verantwortlichen, «warum das niemand hören will», so Flügge. In einem Interview des Kölner domradio bekam am Dienstag auch ein bekanntes TV-Format den heiligen Zorn des Bloggers zu spüren: «Es gibt, glaube ich, keine Sendung im deutschen Fernsehen, in der langsamer gesprochen wird, als beim Wort zum Sonntag.»

Dabei könnte alles so einfach sein, findet Flügge: «Macht's wie der Chef. Jesus hat sich doch auch Mühe gegeben, irgendwie verständlich zu sein.» Anstatt einer «Zombie-Sprache» in Gottesdiensten müssten doch auch süffig-perlende Ansprachen drin sein. «Sprecht doch einfach über Gott, wie ihr beim Bier sprecht. Dann ist das vielleicht noch nicht modern, aber immerhin mal wieder menschlich, nah und nicht zuletzt verständlich.»

Viele User pflichten ihm bei. Gerd Voß schreibt von diesen «typischen Kettendingern», bei denen das letzte Wort eines Satzes immer das erste des nächsten bilde: «Wir sind heute als Gemeinde versammelt. Versammelt, um Gott zu begegnen. Gott, der uns das Leben gab. Das Leben in seiner ganzen Vielfalt. Vielfalt, die sich in Toleranz übt.»

Aber es formiert sich auch Widerspruch. Wolfgang Beck, katholischer Pfarrer und selber «Wort zum Sonntag»-Sprecher, hält Flügges Philippika für «ziemlich pauschal und undifferenziert».

Denn natürlich gibt es auch gute Predigten und Ansprachen. Im Rahmen des vom Bonner Verlag für die deutsche Wirtschaft gestifteten ökumenischen Predigtpreises wurden seit 2000 immerhin mehr als 200 Predigten ausgezeichnet. Für die aktuelle Vergabe sind bereits 70 Vorschläge eingegangen. Was macht sie aus, eine preiswürdige Predigt? Ihr theologischer Gehalt, ihre biblische Fundierung, ihre Erfahrungsnähe und Glaubwürdigkeit, heißt es in der Satzung. Die Predigten sollen zudem zur «ethischen Orientierung und spirituellen Praxis beitragen und dem Dialog zwischen Kirche, Wissenschaft, Wirtschaft und Gesellschaft dienen».

Homiletik heißt die theologische Disziplin, die sich mit der Kunst des Predigens auf wissenschaftlicher Ebene beschäftigt. Auf der jüngsten Tagung der Arbeitsgemeinschaft für Homiletik vergangenen Herbst in Passau ging es unter anderem um Exegese, rabbinische Schriftauslegung oder «dekonstruktive Verfahren». Vergleichsweise schwere Kost, für die sich Blogger Flügge vermutlich einen Praxistest im Alltag wünschen würde.

Dass Diskussionsbedarf auch über den internetaffinen Teil des Kirchenvolks hinaus besteht, machte der gern als «Sprachpapst» titulierte Journalist Wolf Schneider 2009 in einem Beitrag in der «Süddeutschen Zeitung» deutlich. Darin rief Schneider dazu auf, Predigten vor vollem Haus an Weihnachten verstärkt als Chance zur Werbung in eigener Sache zu begreifen. Gerade dann seien die Gotteshäuser voll von jungen Leuten, «die an den anderen 364 Tagen im Jahr kaum erreichbar sind».

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