Äthiopien: Zehntausende bei Anti-IS-Demos und Trauergebeten

23. April 2015 in Weltkirche


In Addis Abeba protestierten am Mittwoch kleinere Gruppen trotz eines großen Polizeiaufgebots auch gegen Regierung und forderten Vergeltungsmaßnahmen


Addis Abeba-Genf (kath.net/KAP) Zehntausende Äthiopier haben am Mittwoch an einer von der Regierung organisierten Protestkundgebung gegen die Ermordung von äthiopischen Christen durch die Jihadistengruppe Islamischer Staat (IS) teilgenommen. Bereits am frühen Morgen begannen die Demonstranten, sich in der Hauptstadt Addis Abeba zu versammeln, wo der Meskel-Platz bald völlig überfüllt war.

Auf Plakaten war zu lesen "Der IS ist nicht der Islam" oder "Unser Frieden und unsere Einheit werden niemals von den Extremisten zerstört werden". Mit der Kundgebung wollten die Behörden offensichtlich die Wut der Menschen über die Morde an rund 30 Christen kanalisieren. Kleinere Gruppen protestierten trotz eines großen Polizeiaufgebots aber auch gegen die äthiopische Regierung und forderten Vergeltungsmaßnahmen.

Das Oberhaupt der Äthiopisch-Orthodoxen Tewahedo-Kirche, Abune Mathias, sagte seine geplante Armenienreise ab und nahm an Trauerfeiern in Addis Abeba teil. Sie gelten auch den ertrunkenen christlichen Flüchtlingen, die aus der Region stammen.

Aus einem von den IS-Terroristen veröffentlichten Video geht hervor, dass sie zwölf junge Äthiopier an einem Strand der Cirenaica geköpft und 16 Äthiopier in der libyschen Wüstenprovinz Fezzan durch Genickschüsse ermordet haben. Fast zwei Drittel der 90 Millionen Äthiopier sind Christen.

In Libyen herrschen seit dem Sturz des langjährigen Machthabers Muammar Gaddafi im Jahr 2011 Chaos und Gewalt. Im vergangenen Sommer eroberten islamistische Milizen die Hauptstadt Tripolis und bildeten dort eine eigene Regierung. Die international anerkannte Regierung und das Parlament flohen nach Tobruk im Osten des Landes. Der IS nutzt das Machtvakuum, um sich in Libyen auszubreiten.

Weltkirchenrat solidarisch mit äthiopischer Kirche

In einem Solidaritätsbrief an den Patriarch Mathias brachte der Generalsekretär des Weltkirchenrats (ÖRK), Pfarrer Olav Fykse Tveit, am Dienstag den Schock der weltweiten ökumenischen Familie über die "ruchlose und unmenschliche Gewalt gegen schuldlose gläubige äthiopische Christen in Libyen" zum Ausdruck. Jede Ideologie, die "Mord und Folter" rechtfertige und feiere, sei "schärfstens anzuprangern und zu verurteilen", betonte Fykse Tveit. In dieser Situation sei die dem Evangelium entsprechende Solidarität und das ökumenische Miteinander mit der äthiopischen Kirche wichtiger denn je. Der Weltkirchenrat sei ihr in dieser schmerzlichen Periode der Trauer über ihre gläubigen Kinder nahe, "die ihre Heimat nur auf der Suche nach einer besseren Zukunft für sich selbst und ihre Familien verlassen haben".

Wörtlich stellte Fykse Tveit fest: "Wir beten für die Opfer, dass sie in Frieden ruhen mögen und ihr Gedenken ewig sei. Wir beten um Kraft für ihre Familien. Und wir beten für alle Migranten, die große Risiken in der Hoffnung auf ein besseres und würdigeres Leben auf sich nehmen."

Eingangs erinnerte der ÖRK-Generalsekretärd daran, dass er erst vor einer Woche mit Patriarch Mathias I. in Addis Abeba zusammengetroffen war, um über den Friedensprozess im Südsudan zu reden. Seither sei die äthiopische Gemeinschaft von vielen tragischen Ereignissen heimgesucht worden: Den fremdenfeindlichen Ausschreitungen in südafrikanischen Städten, von denen auch Zuwanderer äthiopisch-orthodoxer Konfession aus verschiedenen afrikanischen Ländern betroffen waren, über die Katastrophe im Mittelmeer, bei der hunderte Flüchtlinge ertranken, bis zur Mordorgie der islamistischen Terroristen gegen 28 äthiopisch-orthodoxe Christen in Libyen.

Erklärung zum Südsudan

In Zusammenarbeit mit dem Südsudanesichen Kirchenrat (SSCC) hatte der ÖRK vor einer Woche in Addis Abeba Kirchenleiter zu einer besonderen Konsultation über den südsudanesischen Friedensprozess einberufen. 20 Kirchenleiter und Vertreter aus dem Südsudan und Äthiopien trafen sich während zwei Tagen mit Partnerorganisationen, "um über die bereits 16 Monate andauernde tragische Konfliktsituation im Südsudan nachzudenken, über den kürzlichen Abbruch der Friedensgespräche zwischen den Konfliktparteien sowie über neue weitere Wege", so das Kommunique.

"In vielen Teilen des Landes herrscht völlige Anarchie ohne funktionsfähige Regierungsstrukturen. Es dominiert eine Kultur der Rache, und je länger der Krieg andauert, desto tiefer wird diese Kultur verwurzelt sein. Es herrscht Unsicherheit und Angst; die Menschen geraten bei der kleinsten Warnung in Panik. Das Stammesdenken nimmt zu. Kämpfe und Zwangsrekrutierungen dauern an", heißt es weiter.

Die Kirche versuche, Schritte zur Einleitung eines Friedensprozesses zu unternehmen: "Wir wollen uns mit dem Misstrauen der Parteien befassen und diese vereinen, um die Bedürfnisse der Menschen und der Zukunft des Landes in einem Forum zu diskutieren, das weniger polarisiert und politisch weniger brisant ist als andere Prozesse", versprachen die Teilnehmer.

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