Heftige Kritik an Theologieprofessor Notger Slenczka

24. April 2015 in Aktuelles


Evangelischer Professor löst mit seinen Thesen „handfesten theologischen Skandal im deutschen Protestantismus“ aus, sagt der evangelische Deutsche Koordinierungsrat für christlich-jüdische Zusammenarbeit - Bibelbund: Parallelen zur Nazizeit


Frankfurt am Main/Berlin (kath.net/idea) Äußerungen des Berliner Theologieprofessors Notger Slenczka stoßen auf heftige Kritik. Slenczka hatte behauptet, das Alte Testament sei „kein Zeugnis der Universalität des Gottesverhältnisses, sondern ein Zeugnis einer Stammesreligion mit partikularem Anspruch“. Für Christen habe es daher den gleichen Status wie die Apokryphen (außerbiblische Schriften) der Lutherbibel und dürfe somit nicht zum biblischen Kanon gehören. Gerade vor dem Hintergrund des christlich-jüdischen Dialogs halte er bestehende christliche Zugänge zum Alten Testament für „höchst problematisch“. Slenczka ist Dogmatikprofessor an der (evangelischen) theologischen Fakultät der Humboldt-Universität Berlin

Bibelbund: Altes Testament muss Teil des biblischen Kanons bleiben

Der Vorsitzende des Bibelbundes, Michael Kotsch (Horn-Bad Meinberg), sieht in Slenczkas Forderung, das Alte Testament zu verwerfen, Ähnlichkeiten sowohl zu „sektiererischen Gnostikern aus dem zweiten und dritten Jahrhundert” als auch zu den nationalsozialistisch gesonnenen „Deutschen Christen“ und „ideologisch aufgeheizten Atheisten aus dem 20. Jahrhundert“. Kotsch: „Mit Jesus Christus und den Autoren des Neuen Testaments plädiert der Bibelbund vehement für den Verbleib des Alten Testamentes im christlichen Kanon der Heiligen Schrift. Das Alte Testament ist ein glaubwürdiges Zeugnis vom Schöpfer der Welt und dem Vater Jesu Christi. Es ist Teil christlicher Identität und unveräußerliche Grundlage christlicher Verkündigung.“ Seine ideologie- und zeitkritischen Töne dienten einer notwendigen Infragestellung theologischer und gesellschaftlicher Einseitigkeiten der Gegenwart.

Slenczkas Theologie bedeutet Aufkündigung der christlich-jüdischen Gemeinschaft

Scharfe Kritik übte auch der jüdische Erziehungswissenschaftler Micha Brumlik (Frankfurt am Main) in einem Gastbeitrag für die Wochenzeitung „Jüdische Allgemeine“ (Berlin). Die von Slenczka vertretene Theologie bedeute „die Aufkündigung einer nach dem Holocaust langsam gewachsenen mit- und zwischenmenschlichen Gemeinschaft von Juden und Christen als Religionen, die durch persönliche Freundschaften oder Beteuerungen bürgerlichen Respekts nicht zu ersetzen sind“. Auch wenn dem Theologen kein klassischer Antijudaismus vorzuhalten sei, fehle ihm doch die historische Reflexion: „Denn es war die Theologie der ‚Deutschen Christen’, also der Nazikirche, die sich nicht zuletzt damit legitimierte, dass sie das Alte Testament für undeutsch, in heutiger Terminologie für ‚fremd’ erklärte.“

Wieviel Zustimmung erhält Slenczka unter Theologiestudenten?

Der evangelische Deutsche Koordinierungsrat für christlich-jüdische Zusammenarbeit (Bad Nauheim) hatte in einer Erklärung Slenczkas Thesen als „handfesten theologischen Skandal im deutschen Protestantismus“ bezeichnet. Brumlik dankt dem Koordinierungsrat dafür, dass er die Thematik zur öffentlichen Diskussion gestellt hat. Brumlik: „Immerhin könnte es sein, dass sich hinter der ausgebliebenen Debatte doch mehr als nur stillschweigende Duldung verbirgt. Wissen wir wirklich, wie sich jene, die heute christliche Theologie studieren, zu diesen Fragen verhalten? Die Vermutung, dass die Zustimmung zu Slenczkas Thesen, zumal unter protestantischen Nachwuchstheologen, größer sein könnte als erhofft, scheint mir jedenfalls nicht aus der Luft gegriffen.“


© 2015 www.kath.net