Homophobie-Vorwurf: Eine Zeitung knickt ein

27. Mai 2015 in Deutschland


Diplom-Soziologin kritisiert Westfalen-Blatt für das Ende der Zusammenarbeit


Bielefeld (kath.net/idea) Die Diplom-Soziologin Barbara Eggert hat die Entscheidung des Westfalen-Blatts (Bielefeld), die Zusammenarbeit mit ihr zu beenden, im Gespräch mit der Evangelischen Nachrichtenagentur idea als Angriff auf die Meinungsvielfalt in Deutschland kritisiert: „Ich hätte mir mehr Courage gewünscht. Das Westfalen-Blatt ist eingeknickt und hat einer pöbelnden Gruppe die Hand gereicht.“ Zum Hintergrund: Am 17. Mai erschien in dem Anzeigenblatt „OWL am Sonntag“, das zur Unternehmensgruppe Westfalen-Blatt gehört, Eggerts Kolumne „Guter Rat am Sonntag“. Dort berichtete ein 43-jähriger Vater, dass er und seine Ehefrau nicht wollen, dass ihre sechs und acht Jahre alten Töchter an der „Hochzeit“ seines homosexuellen Bruders teilnehmen. Die Kinder würden den Bruder und seinen Freund zwar gut kennen, wüssten aber nicht, dass die beiden schwul seien. Er wolle nicht, dass sich die Kinder in ihrem Alter mit dem Thema der sexuellen Orientierung befassen. Eggert antwortete: „Ich gebe Ihnen Recht, Ihre Töchter würden durcheinander gebracht und können die Situation Erwachsener nicht richtig einschätzen.“ Und weiter: „Andere Kinder mögen vielleicht liberaler aufgewachsen sein, Ihre Töchter sind anders erzogen. Sagen Sie Ihrem Bruder ehrlich, wie Sie denken, und dass Ihre Kinder nicht an der Feierlichkeit teilnehmen, weil Sie nicht möchten, dass die Kinder verwirrt werden.“ Daraufhin war Eggert in vielen Medien als homophob bezeichnet worden und in sozialen Netzwerken unter anderem als „Faschistenschwein“ oder „Schlampe“ beschimpft worden.

In sozialen Netzwerken „fertiggemacht”

Das Westfalen-Blatt hatte in einer ersten Stellungnahme am 20. Mai erst um Entschuldigung gebeten. Es habe, so der Chefredakteur, die Erklärung gefehlt, woraus die Verwirrung der Kinder resultiere – nämlich nicht aus dem Besuch einer „Hochzeit“ zweier Männer an sich, sondern dadurch, dass den beiden Töchtern bisher jegliche Aufklärung über Homosexualität fehle. Auf die Veröffentlichung reagierten viele in den Netzwerken wiederum mit Kritik und warfen dem Westfalen-Blatt vor, es streite seine „homophobe Entgleisung“ ab.

Noch am selben Tag beendete das Westfalen-Blatt dann die siebenjährige Zusammenarbeit mit der Soziologin. Eggert erfuhr davon nach eigenen Angaben aus den Medien.

Eggert: „Ich bin mit meinem Rat auf die konkrete Situation eingegangen. Die Eltern hatten die Kinder weder über Sexualität im allgemeinen noch über Homosexualität aufgeklärt, so dass der Ratschlag, sie nicht mit auf die Hochzeit zu nehmen, legitim war. Daran ist nichts homophob. Ich habe damit auch nicht gesagt, dass der Kontakt zu dem Onkel abgebrochen werden soll.“ Eggert, die auch bis Ende 2014 insgesamt elf Jahre für die Evangelische Zeitung (vorher Nordelbische Zeitung) geschrieben hat, sagte, viele Menschen in den sozialen Netzwerken neigten dazu, andere vorschnell „fertigzumachen“. Schlimm sei, dass Medien voneinander abschreiben und Vorwürfe ungeprüft übernehmen: „Das war in der jüngeren Vergangenheit schon bei bekannten Persönlichkeiten der Fall.“

Unter den öffentlichen Anfeindungen leide sie sehr: „Ich dachte, ich kann so ziemlich alles ertragen. Aber das ist zu viel.“


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