Wo sich Christen und Juden als Brüder stärkten

29. Mai 2015 in Chronik


Der emeritierte Kurienkardinal Cordes beantwortete bei jüdisch-katholischen Treffen Publikumsfragen. Er betonte dabei die geistliche Nähe zwischen beiden Glaubensgemeinschaften sowie die jüdische Erfahrung von Jahwe als Herrn der Geschichte


Jerusalem (kath.net) Bei einem jüdisch-katholischen Treffen in Israel beantwortete der emeritierte Kurienkardinal Paul Josef Cordes (Foto) einige Fragen aus dem Publikum. Die Begegnung fand im Zentrum des Neukatechumenalen Weges am See Genezareth als Gedenkenveranstaltung an die 50. Wiederkehr der Erklärung des II. Vaticanums „Nostra Aetate“ und in Erinnerung an das Ende der Schoach vor 70 Jahren statt. Es nahmen daran 120 Rabbiner und auf katholischer Seite Kardinäle, Bischöfe, Priester und Laien aus aller Welt teil. kath.net dankt S.E. für die freundliche Erlaubnis zur Veröffentlichung.

Frage: Welches ist Ihrer Einschätzung nach die wertvollste Frucht des Treffens mit den Rabbinern?

Kardinal Cordes: Wir haben einander im Glauben an Gott bestärkt.

Gläubige Juden leben seit mehreren tausend Jahren aus ihrem Vertrauen auf Jahwe. Er hat sich als Herr ihrer Geschichte bewiesen, auch wenn diese übersät war von Bedrohung, Vertreibung und Ausrottung bis hin zum Holocaust.

Und Christen steht der Wind der Säkularisierung ins Gesicht. Die Gesellschaft sucht uns zu verführen, wir könnten unser Schicksal ohne Gott meistern. Jaques Prevert, ein berühmter französischer Autor, betete schon vor Jahren: „Vater unser, der du bist im Himmel, bleibe da!“ Und Papst Benedikt XVI. klagt, wir lebten in einer Zeit der Gott-Vergessenheit.

Dennoch ist das Vertrauen in die Offenbarung und Heilgeschichte nicht ausgestorben. Und Lebenszeugnisse von Menschen, die über Religionsgrenzen hinaus ganz auf „Gott“ setzen, werden zu einem starken Glaubensimpuls.

Frage: Haben Sie bei den Rabbinern eine Offenheit für die Gestalt Christi bemerkt? Oder bestimmen die negativen Erfahrungen der Vergangenheit noch immer den Zugang zum Christentum?

Kardinal Cordes: Gedankengänge der Jesus-Bewegung, die in ihm den Messias auch für Israel sieht, wurden nicht geäußert. Anderseits stellte Rabbi Eugene Korn (Jerusalem) das leidvolle Gegeneinander von Juden und Christen äußerst korrekt dar, gestand auch Fehler der eigenen Glaubensgemeinschaft ein und sah beide Religionen seit dem Vaticanum II auf dem Weg, die von Johannes XXIII. angesagt Brüderlichkeit auch zu leben.

So waren wir alle von der geistlichen Nähe zwischen beiden Glaubensgemeinschaften ergriffen. Rabbi David Brodman aus Amsterdam gab ihr Ausdruck. Er bekannt, sein Herz höre nicht auf zu jubeln über diese Erfahrung gemeinsamen Gebetes zum Allmächtigen. Mir kam er mit seinen mindestens 80 Jahren und seinem wuchtigen grauen Vollbart vor wie der greise Simeon, der im Tempel zu Jerusalem den Messias in seine Arme schließt.

Frage: Es wurde auch über das gemeinsame Zeugnis in der Welt von heute gesprochen. Wie kann das aussehen?

Kardinal Cordes: Die Begegnung in der „Domus Galiaeae“ bereicherte zunächst alle Anwesenden im Glauben und in der Gottverbundenheit. Wir vollzogen aneinander, was der Herr dem Apostel Petrus aufträgt: „Du aber, stärke Deine Brüder.“

Empfangen und Geben erfüllte uns mit tiefem Dank.

Wer so etwas erlebt, ist seitens der Christen gegen alle Formen des Antisemitismus geimpft. Er kann den reichen Schatz der Psalmen besser zu seinem eigenen Gebet machen.

Und er wehrt sich entschieden, wenn man das Alte Testament wieder einmal vom Christentum amputieren will. Wie es der protestantische Dogmatiker der Humbold-Universität Notger Slenczka kürzlich vorschlug. Er forderte, dass dessen Bücher aus dem Kanon der biblischen Schriften herausgenommen würden; sie sollten stattdessen wie die „Apokryphen“ (für den Glauben nicht zuverlässige Schriften) lediglich als informativ und historisch nützlich angesehen werden. Irritiert schon das, so verwirrt es noch mehr, dass er aus den eigenen Reihen in mehreren Leserbriefen von Kollegen eine kaum verständliche, wenn auch differenzierte Zustimmung fand (Anm. Frankfurter Allgemeinde Zeitung vom 28. April 2015).

kath.net-Lesetipp:
Drei Päpste. Mein Leben
Von Paul J. Cordes
Hardcover
336 Seiten; 210 mm x 134 mm
2014 Herder, Freiburg
ISBN 978-3-451-33519-8
Preis 20.60 EUR

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EWTN-Interview: Paul Josef Kardinal Cordes - Interviewer Paul Badde - Teil 1


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Foto Kardinal Cordes (c) Erzbistum Paderborn


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