'Er muss wachsen, ich aber muss kleiner werden' (Joh 3,30)

24. Juni 2015 in Spirituelles


Gedanken des Hl. Augustinus (354-430), Bischof von Hippo (Nordafrika) und Kirchenlehrer zur Geburt des hl. Johannes des Täufers


Rom (kath.net)
„Er muss wachsen, ich aber muss kleiner werden" (Joh 3,30)

Die Geburt des Johannes und Jesu Geburt, und dann ihre Leidensgeschichten, haben ihre Verschiedenheit aufgezeigt. Denn Johannes wird geboren, als der Tag schon zur Neige geht, Christus aber, als der Tag anbricht. Die Tagesneige ist für den einen das Zeichen seines gewaltsamen Todes - der Tagesanbruch für den anderen die Erhöhung des Kreuzes.

Doch es gibt auch einen verborgenen Sinn, den der Herr offenbart… im Zusammenhang mit diesem Wort des Johannes über Jesus Christus: „Er muss wachsen, ich aber muss kleiner werden.“ Die ganze menschliche Gerechtigkeit… wurde an Johannes erfüllt; von ihm sagte die Wahrheit selber: „Unter allen Menschen hat es keinen größeren gegeben als Johannes den Täufer“ (Mt 11,11). Kein Mensch also hätte ihn je überholen können, doch er war eben nur ein Mensch. In unserem christlichen Gnadenleben aber wird von uns nicht verlangt, uns des Menschen zu rühmen, sondern „wenn einer sich rühmen will, dann rühme er sich des Herrn“ (vgl. 2Kor 10,17): der Mensch seines Gottes, der Knecht seines Herrn. Deshalb nämlich ruft Johannes aus: „Er muss wachsen, ich aber muss kleiner werden.“ Sicherlich wird Gott keinesfalls in sich kleiner gemacht oder nimmt zu, doch in dem Maße, in dem bei den Menschen der echte Eifer wächst, wächst auch die göttliche Gnade und die menschliche Kraft nimmt ab, bis schließlich die Wohnung Gottes vollendet wird, die in allen Gliedern Christi ist, wo jede Gewaltherrschaft, jeder Machtanspruch, jede Macht tot sind, und wo Gott alles in allem ist (vgl. Kol 3,11).

Johannes der Evangelist sagt: „Das wahre Licht, das jeden Menschen erleuchtet, kam in die Welt“ (Joh 1,9). Johannes der Täufer aber sagt: „Aus seiner Fülle haben wir alle empfangen.“ (1,16). Wenn das Licht, das in sich immer nur vollständig sein kann, nichtsdestotrotz zunimmt in dem, der von ihm erleuchtet wird, dann ist derjenige in sich kleiner geworden, wenn in ihm untergeht, was ohne Gott war. Denn der Mensch ohne Gott kann nur sündigen und seine menschliche Kraft nimmt ab, wenn die göttliche Gnade siegt, die die Sünde zerstört. Die Schwachheit des Geschöpfes weicht der Macht des Schöpfers und die Eitelkeit unserer egoistischen Anhänglichkeiten bricht zusammen vor der allumfassenden Liebe, wenn uns Johannes der Täufer vom Grund unserer Verzweiflung aus die Barmherzigkeit Jesu Christi zuruft: „Er muss wachsen, ich aber muss kleiner werden.“




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