Jede Art der Sterbehilfe verbieten?

27. Juni 2015 in Kommentar


Pro & Kontra: Bis Ende letzter Woche haben vier fraktionsübergreifende Parlamentariergruppen unterschiedliche Gesetzesvorschläge zur Sterbehilfe vorgestellt. Sie reichen von einem Totalverbot bis zu einer Liberalisierung der Beihilfe zum Suizid.


Berlin (kath.net/idea) Wie man Sterbende in der letzten Phase ihres Lebens am besten begleitet, darüber gehen die Ansichten unter Politikern auseinander. Vier fraktionsübergreifende Parlamentariergruppen des Bundestages haben unterschiedliche Gesetzesvorschläge zur Sterbehilfe vorgestellt. Sie reichen von einem Totalverbot bis zu einer Liberalisierung der Beihilfe zum Suizid. Im November entscheidet der Bundestag, ob Ärzte unheilbar Kranken beim Sterben helfen dürfen. Selbst die CDU ist in dieser Frage gespalten. In einem Pro und Kontra für die Evangelische Nachrichtenagentur idea (Wetzlar) nehmen die beiden CDU-Bundestagsabgeordneten Patrick Sensburg und Peter Hintze Stellung zur Frage „Sollte man jede Art der Sterbehilfe verbieten?“

PRO
Der Gesetzentwurf, den ich mit eingebracht habe, will neben der aktiven Sterbehilfe auch die assistierte Suizidbeihilfe verbieten, alle anderen Formen des Begleitens im Tod aber stärken. Der Entwurf will damit eine Begleitung bis in den Tod fördern und nicht die Beförderung in den Tod.

Damit möchten wir an dem festhalten, was der Grundsatz der Unantastbarkeit der Würde des Menschen gebietet.

Damit treffen wir eine klare Wertentscheidung: Grundsätzlich ist Suizidassistenz verboten, und nur in extremen Ausnahmefällen ist sie entschuldet. Die Höchststrafe „bis zu 5 Jahren“ wird nur in schlimmen Ausnahmefällen in Betracht kommen. Das entspricht der bisher gelebten Rechtsüberzeugung und ärztlichen Praxis. Dass der Gesetzgeber nun tätig wird, liegt nicht zuletzt an der Selbstanzeige des Berliner Arztes Uwe-Christian Arnold. Seit mehr als 20 Jahren versorgt er Menschen mit tödlich wirkenden Medikamenten, um einen vorzeitigen Tod herbeizuführen. Nach seinem Freispruch arbeiten fraktionsübergreifend einzelne Gruppen im Bundestag nun an entsprechenden Regelungen.

Diejenigen Entwürfe, die eine Freigabe der Suizidassistenz wollen, werden letztlich Ärzten die Entscheidung aufbürden, wer ein Sterbemittel bekommt und wer nicht.

Im Ergebnis wollen Angehörige und besonders Selbstmörder einen schnellen und schmerzfreien Tod. Sie werden ihn von einem Arzt wünschen.

Palliativärzte berichten aber, dass durch eine gute Betreuung der immer wieder aufkommende Sterbewunsch sich regelmäßig in einen Lebenswunsch verkehrt. Oft will der Mensch in der letzten Lebensphase „nicht mehr so leben“ – leben will er aber doch.

Der assistierte Suizid ist daher keine Sterbebegleitung, sondern das Beenden des Lebens in Fällen, in denen der Tod noch nicht von alleine kommt. Dagegen wenden wir uns!

Der Autor, Prof. Patrick Sensburg (Meschede, CDU), ist seit 2009 direkt gewählter Bundestagsabgeordneter des Hochsauerlandkreises. Er ist katholisch.

KONTRA
Ich halte es für ein Gebot der Nächstenliebe und für ein Gebot der Menschenwürde, todkranken und schwer leidenden Menschen ein friedliches Entschlafen zu ermöglichen. Für mich wäre es eine schlimme Verzerrung unserer christlichen Werteordnung, wenn aus dem wichtigen Grundsatz, menschliches Leben zu schützen, ein Zwang zum Qualtod würde. Es gibt Situationen, in denen die Palliativmedizin an ihre Grenzen stößt und der Sterbende Gott um ein friedliches Entschlafen bittet. Das schöne Gleichnis vom barmherzigen Samariter lehrt uns, dass Jesus der Nächstenliebe stets Vorrang gibt vor dem formellen Gebot.

Deshalb bin ich mit unserem Gesetzentwurf dafür, dass wir Menschen, die an einer unumkehrbar zum Tode führenden Erkrankung schwer leiden, auf der Grundlage einer neuen Vorschrift im Bürgerlichen Gesetzbuch die Möglichkeit geben, ihren Arzt des Vertrauens nach einer Beratung über palliativmedizinische Möglichkeiten um freiwillige Hilfe bei der selbst vollzogenen Lebensbeendigung zu bitten, soweit sie volljährig und voll einwilligungsfähig sind und die Diagnose von einem anderen Arzt bestätigt wurde.

Es geht ausschließlich um die Fälle, bei denen es nicht mehr um das Ob, sondern um das Wie des Sterbens, also darum geht, ob ein Mensch friedlich oder qualvoll stirbt. Gott will, dass wir Menschen inneren Frieden haben. Mit einer solchen Regelung schützen wir das intime Arzt-Patienten-Verhältnis vor berufsrechtlichen Sanktionen. Ein strafrechtliches Verbot der Sterbehilfe würde dazu führen, dass sich die Ärzte gerade von den Menschen zurückziehen, die am meisten leiden. Nicht Staatsanwälte gehören an das Krankenbett, sondern vertraute Ärzte und liebende Angehörige.

Der Autor, Peter Hintze (Wuppertal, CDU), ist Vizepräsident des Deutschen Bundestages. Seit 1990 ist er Abgeordneter. Von Beruf ist Hintze evangelischer Pastor.

Vgl. dazu auch den kath.net-Kommentar: Sterbehilfe: Werden unsere Alten und Kranken zukünftig vogelfrei sein?


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