Syrischer Patriarch: Westen muss aufhören, Terroristen zu stärken

2. Juli 2015 in Weltkirche


Syrisch-orthodoxer Kirchenführer Ignatius Aphrem II.: Orientalische Christen anerkennen legitime Regierungen, aber unterwerfen sich nicht - "Ökumene des Blutes" durch Martyriums-Erfahrung


Wien-Rom (kath.net/KAP) "Wir verlangen keine Militärintervention des Westens zur Verteidigung der orientalischen Christen. Aber der Westen muss aufhören, die terroristischen Gruppen zu bewaffnen und zu unterstützen, die unsere Länder zerstören und unsere Leute massakrieren": Dies betonte der in Damaskus residierende syrisch-orthodoxe Patriarch Ignatius Aphrem II. (Foto) gegenüber dem italienischen Onlineportal "Vatican Insider", aus dem die Stiftung "Pro Oriente" am Mittwoch zitierte.

Wenn der Westen helfen wolle, dann solle er die örtlichen Regierungen unterstützen, denen es an Ausrüstung zur Aufrechterhaltung der Sicherheit und zur Verteidigung der Bevölkerung gegen Attacken fehle. Die staatlichen Institutionen im Nahen Osten bräuchten vor allem Stärkung und Stabilisierung, betonte der Patriarch. "Stattdessen sehen wir, dass ihre Auflösung von außen unterstützt wird."

Ignatius Aphrem gab an, Syriens Präsident Bashar al-Assad habe die Bischöfe des Landes bei einem kürzlichen Treffen gebeten, alles für ein Bleiben der Christen im eigenen Land zu unternehmen, das "schon lange vor der Ankunft des Islams" ihre Heimat gewesen sei. Assad sei zudem von einem bedeutenden Beitrag der Christen beim Wiederaufbau des Landes überzeugt.

Anschuldigungen aus dem Westen, wonach die orientalischen Christen mit den autoritären Regimen sympathisierten, wies Ignatius Aphrem scharf zurück. Nahost-Christen hätten sich keiner Diktatur unterworfen, sondern würden "legitime Regierungen" anerkennen und gemäß der Bibel für sie beten.

Im Fall Syriens sei zudem erkennbar, "dass auf der anderen Seite keine demokratische Opposition ist, sondern nur extremistische Gruppierungen". Diese Gruppen hätten ihre Ideologie von "Hasspredigern" aus Saudi-Arabien und Katar bezogen und würden zudem über die Türkei mit Waffen versorgt.

Der IS sei zweifellos nicht der Islam, "wie wir ihn kennen und mit dem wir jahrhundertelang zusammengelebt haben", unterstrich der Patriarch. Vielmehr werde diese Bewegung von bestimmten Kräften mit Waffen und Geld unterstützt, weil sie für jenen "Weltkrieg in Raten" nützlich sei, von dem Papst Franziskus gesprochen habe.

Zugleich beruhe die Bewegung auf einer "perversen religiösen Ideologie", die sich auf den Koran berufe. Dies sei möglich, weil es im Islam keine Autorität gebe, die eine "authentische Interpretation des Koran" durchsetzen könne. Jeder Prediger könne seine Interpretation einzelner Verse anbieten und die Gewalt rechtfertigen und "Fatwas" (religiöse Rechtsgutachten) auf dieser Basis erstellen, ohne dass eine höhere Autorität einzugreifen vermöge.

Not schafft Freundschaften

Zur ökumenischen Entwicklung im Nahen Osten erinnerte Ignatius Aphrem an das Wort von Papst Franziskus vom "Ökumenismus des Blutes": "Die Leute, die Christen ermorden, schauen nicht, ob ihre Opfer katholisch, orthodox oder evangelisch sind. Das Miteinander in dieser Situation bringt uns einander näher, wir entdecken die Quelle unserer Einheit. Die Hirten lernen einander als Brüder im selben Glauben zu schätzen und können gemeinsam wichtige Entscheidungen treffen." Zeichen wie etwa ein gemeinsames Osterdatum würden hier von großer Bedeutung sein.

Auseinandersetzungen über kirchliche Machtfragen würden sich bei dieser Ökumene angesichts der Bedrängnisse als irrelevant erweisen. Zweifellos sei es zwar notwendig, jene theologischen Fragen zu benennen, über die es noch Differenzen gebe, so der Patriarch. Doch hätten die Christen der syrischen Tradition hier bereits Fortschritte durch Übereinkommen über wechselseitige Gastfreundschaft zwischen syrisch-orthodoxer und syrisch-katholischer Kirche gemacht. Wenn etwa Gläubige in der eigenen Kirche nicht am Gottesdienst teilnehmen und die Sakramente empfangen könnten, sei das bei der Schwesterkirche möglich.

Christliche Märtyrer würden laut Ignatius Aphrem das Martyrium niemals suchen, um damit ihren Glauben unter Beweis zu stellen. "Sie vergießen ihr Blut nicht, um die Gnade Gottes oder irgendeine Belohnung wie das Paradies zu erlangen." Selbstmordattentäter als "Märtyrer" zu bezeichnen sei daher die "größte denkbare Gotteslästerung".

Copyright 2015 Katholische Presseagentur KATHPRESS, Wien, Österreich
Alle Rechte vorbehalten


© 2015 www.kath.net