Lebenslange Treue ist ein Wesensmerkmal der sakramentalen Ehe

2. Juli 2015 in Kommentar


Debatte Bischofssynode: Wer in Bezug auf die Unauflöslichkeit der Ehe so widersprüchlich argumentiert wie Kardinal Kasper und das Papier der Deutschen Bischofskonferenz, macht sich auf Dauer völlig unglaubwürdig. Gastkommentar von Rainer Beckmann


Vatikan (kath.net) Kardinal Kasper hat seine Haltung zum Sakramentenempfang von wiederverheirateten Geschiedenen in einem Aufsatz für das Juli-Heft der Zeitschrift „Stimmen der Zeit“ (Herder-Verlag, Freiburg, S. 435-445) bekräftigt. Auf die umfangreiche Kritik an seiner Auffassung geht er - wie in einer Fußnote angemerkt wird - nicht direkt ein. Er will seine Position aber „gegenüber zahlreichen Missverständnissen“ klarstellen.
Das gelingt ihm allerdings nicht. Seine Ausführungen sind - jenseits der oberflächlich gefälligen und gut formulierten Argumentation - reich an Widersprüchen:

- Einerseits heißt es in dem Aufsatz, man dürfe das Jesuswort, dass der Mensch nicht trennen dürfe, was Gott verbunden hat (Mt 5,32; 19,9; Mk 10,9; Lk 16,18), auch heute nicht „durch Anpassung an die Situation entschärfen“. Jesus habe jede „kasuistische Auslegung und Ausnahmeregelung zum ursprünglichen Willen Gottes verworfen.“ Andererseits meint Kasper, das Wort Jesu dürfe aber auch „nicht fundamentalistisch ausgelegt werden“.

- Die Lehre der Kirche, dass der Ehebund „wie der Bund Gottes in Jesus Christus mit der Kirche endgültig und unauflöslich“ ist, sei - so Kasper - eine „großartige und überzeugende Konzeption“. Die Relativierung folgt auf dem Fuß: Diese Lehre dürfe „jedoch nicht zu einer lebensfremden Idealisierung“ führen.

- Einerseits betont der Kardinal, dass in einer Situation des menschlichen Scheiterns in der Ehe „die Situation nie aussichts- und hoffnungslos“ sei. Gott könne auch in Situationen, in denen wir keinen Ausweg mehr wissen, einen neuen Weg eröffnen. Andererseits geht er von einem „endgültigen“ Scheitern auch katholischer Ehen aus, so dass man nach einer Wiederheirat Wege für einen Kommunionempfang in der Zweitehe finden müsse.

Vergebung ohne Umkehr

Der Gipfel der Widersprüchlichkeit liegt aber in seiner Konzeption zum Kommunionempfang für Wiederverheiratete auf dem Umweg des Bußsakraments. Kardinal Kasper schwebt ein „Weg der Buße“ („via paenitentialis“) vor, ein „schmerzliche(r), aber heilsame(r) Prozess der Klärung und der Neuausrichtung nach der Katastrophe einer Scheidung, der in einem geduldig hinhörenden und klärenden Gesprächsprozess von einem erfahrenen Beichtvater begleitet wird. Dieser Prozess soll bei dem Betroffenen zu einem ehrlichen Urteil über seine persönliche Situation führen, in dem auch der Beichtvater zu einem geistlichen Urteil kommt, um von der Vollmacht zu binden und zu lösen in einer der jeweiligen Situation angemessenen Weise Gebrauch machen zu können.“ Von einer Umkehr in dem Sinn, dass wiederverheiratete Geschiedene in diesem Prozess zu der Erkenntnis gelangen, dass ihre Lebenssituation ihrem vor Gott gegebenen ursprünglichen Eheversprechen nicht entspricht und daher geändert werden muss, ist keine Rede.

Kasper zeigt sich entrüstet über den Vorwurf, sein Vorschlag bedeute „Vergebung ohne Umkehr“ - und bestätigt nur wenige Zeilen später, dass dieser Vorwurf nur allzu berechtigt ist. Er schreibt: „Selbstverständlich schließt das Bußsakrament auf Seiten des Pönitenten Reue und den Willen ein, in der neuen Situation nach besten Kräften gemäß dem Evangelium zu leben“. Was Kasper hier beschreibt, ist aber keine wirkliche Umkehr. Wer „in der neuen Situation“, d. h. bei wiederverheirateten Geschiedene also in der zivilen Zweitehe! - „nach besten Kräften gemäß dem Evangelium zu leben“ beabsichtigt, will gerade nicht umkehren, sondern seine Untreue gegenüber dem (Erst-)Ehepartner fortsetzen. Kasper ignoriert an diesem Punkt die Unauflöslichkeit der Ehe. Wer durch Wiederheirat Ehebruch begeht, kann erst dann die Absolution erhalten, wenn er bereit ist, diesen schwerwiegenden Verstoß gegen das Ehesakrament zu bereuen und künftig zu unterlassen.

„... die zweite Ehe aus dem Glauben leben“

Den gleichen Denkfehler wie Kardinal Kasper begeht auch die Deutsche Bischofskonferenz. Sie hat im Vorfeld der Familiensynode in Rom den Standpunkt von Kardinal Kasper uneingeschränkt übernommen. In ihrer Antwort auf den zweiten Fragenkatalog des Vatikans zur Vorbereitung der Bischofssynode wird die Haltung der Deutschen Bischofskonferenz zum Umgang mit „wiederverheirateten Geschiedenen“ folgendermaßen wiedergegeben (dort S. 14):

„In unserem Beschluss haben wir angeregt, zivil geschiedene und wiederverheiratete Gläubige dann zum Sakrament der Buße und zur Kommunion zuzulassen, wenn das gemeinsame Leben in der kanonisch gültige Ehe definitiv gescheitert ist, die Verbindlichkeiten aus dieser Ehe geklärt sind, die Schuld am Zerbrechen der ehelichen Lebensgemeinschaft bereut wurde und der aufrechte Wille besteht, die zweite zivile Ehe aus dem Glauben zu leben und die Kinder im Glauben zu erziehen.“

Knapper und eindeutiger kann man den Abschied von der Unauflöslichkeit der Ehe nicht formulieren. Der zitierte Absatz heißt auf den Punkt gebracht: Wer seine erste Ehe ordentlich abgewickelt hat, kann „mit dem Segen der Kirche“ (nämlich unter Teilhabe an allen kirchlichen Sakramenten) eine Zweitehe führen!

Wie kann man sich einbilden, trotz einer derartigen Regelung weiter an der Unauflöslichkeit der Ehe festhalten zu können? Die Unauflöslichkeit darf, wenn man sie ernst nimmt, nicht nur auf dem Papier stehen, sie muss im realen Leben auch Folgen haben. Der genannte Vorschlag läuft dagegen darauf hinaus, wiederverheiratete Geschiedene genauso zu behandeln wie Geschiedene, die sich an die Unauflöslichkeit der Ehe halten und keinen neuen Partner suchen.

Kasper über Kasper: dieser Vorschlag ist „scheinbarmherzig“

Eine Rechtfertigung für die Gleichbehandlung derart konträrer Verhaltensweisen ist nicht ersichtlich. Das Schlagwort „Barmherzigkeit“ führt hier nicht weiter. Barmherzigkeit setzt voraus, dass der Sünder Reue zeigt und umkehrt, wie etwa im Gleichnis vom verlorenen Sohn. Wiederverheiratete Geschiedene wollen aber nicht umkehren, sondern ihre Untreue gegenüber dem sakramentalen Ehepartner fortsetzen. Wer das akzeptiert, ist nicht barmherzig, sondern billigt das Fehlverhalten und signalisiert den Gläubigen: Das mit der Unauflöslichkeit muss man nicht so genau nehmen. Eine solche „Barmherzigkeit“ wäre in Wahrheit eine „Pseudo-Barmherzigkeit“, die „über falsches und sündhaftes Verhalten scheinbarmherzig hinwegsieht, statt zur Umkehr aufzufordern“. Dieses Zitat stammt von Kardinal Kasper selbst (aus seinem Buch „Barmherzigkeit“, 2012, S. 146). Wenn man es auf seinen Vorschlag zum Sakramentenempfang für wiederverheiratete Geschiedene anwendet, kommt man zu dem Ergebnis, dass er seinen eigenen Vorschlag für „scheinbarmherzig“ hält!

Es ist die Aufgabe der Kirche, die Wahrheit zu verkünden - sei es gelegen oder ungelegen. Hinsichtlich der wiederverheirateten Geschiedenen führt kein Weg daran vorbei, ihnen - und allen Gläubigen - zu vermitteln, dass lebenslange Treue ein Wesensmerkmal der sakramentalen Ehe ist. Wenn es zur Trennung kommt, gibt es keinen Zwang, eine zweite Bindung einzugehen. Es bleibt immer der Weg der Treue. Das ist kein leichter Weg, aber ein gangbarer Weg - in und mit der Kirche.

Wer in Bezug auf die Unauflöslichkeit der Ehe so widersprüchlich argumentiert wie Kardinal Kasper und das Papier der Deutschen Bischofskonferenz, macht sich dagegen auf Dauer völlig unglaubwürdig. Das angebliche Festhalten an der Unauflöslichkeit der Ehe und die praktische Anerkennung der Zweitehe sind nicht miteinander vereinbar. Es ist erschreckend, dass Kardinal Kasper und viele Bischöfe dies nicht erkennen können oder nicht erkennen wollen.

Der Autor, Rainer Beckmann, ist selbst geschieden, aber hat nicht wieder geheiratet. Er achtet und verteidigt die Lehre der Kirche zum Ehesakrament. Zu den Thesen von Kardinal Kasper hat er aktuell in dem Buch „Das Evangelium der ehelichen Treue“ Stellung bezogen.

Paul Josef Kardinal Cordes hat für das Buch das Vorwort geschrieben: Vorsichtige Hirten sind keine 'Hardliner' oder 'Rigoristen'.

kath.net-Buchtipp
Das Evangelium der ehelichen Treue
Eine Antwort auf Kardinal Kasper
Von Rainer Beckmann
Vorwort von Paul Josef Kardinal Cordes
Taschenbuch, 143 Seiten
2015 Fe-medienverlag
ISBN 978-3-86357-123-8
Preis 10.10 EUR
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