Ein unnötiger Kampf

21. Juli 2015 in Kommentar


Zum Tod des CDU-Politikers und Christen Philipp Mißfelder - Der junge Katholik sah sich böswilligen Angriffen aus linken und gegnerischen Milieus, aber auch aus den eigenen Reihen ausgesetzt. Was muten wir Spitzenpolitikern zu? Von Michael Inacker


Berlin (kath.net/idea) Selten hat der Tod eines Politikers so große und gefühlvolle Anteilnahme ausgelöst wie im Falle von Philipp Mißfelder (Foto). 35 Jahre waren ihm nur vergönnt, er hinterlässt eine Frau mit zwei jungen Töchtern. In der Trauer um diesen großartigen Menschen, engagierten katholischen Christen und Freund drückt sich tiefe Bestürzung aus. Er war einer derjenigen, die mit innerer Distanz und einer aus ihrem christlichen Glauben gespeisten Unabhängigkeit Politik machten.

Wie viel Anfeindung muten wir Spitzenpolitikern zu?

Philipp war ehrlich, manchmal schmerzend ehrlich zu seinen Freunden und politischen Gegnern. Und einige der Trauerbekundungen hätte er sicherlich nicht lesen wollen oder als unehrlich zurückgewiesen. Es geht nicht darum, psychologische Erklärungen dafür zu finden, warum ein so junger Mann mit einer Lungenembolie aus dem Leben gerissen wurde. Es geht aber darum, um innezuhalten und zu fragen, wie viel Anfeindungen wir unserem politischen und auch unternehmerischen Spitzenpersonal zumuten. Gerade Philipp Mißfelder sah sich in den letzten anderthalb Jahren vielen böswilligen und ehrverletzten Unterstellungen und Angriffen ausgesetzt. Diese haben ihn belastet und geschmerzt. Sie kamen aus linken und gegnerischen Milieus, aber auch aus den eigenen Reihen, teilweise selbst bürgerlich-konservativen Medien. Vielfach ging es um seine (gemäßigt-abwägende) politische Haltung zu Russland und die Netzwerke, die er pflegte, die einigen nicht passten.

Er konnte es keinem recht machen

In welchem Land leben wir, dass beispielsweise die Frage, wie man zu Russland steht und ob man – bei aller berechtigten und notwendigen Kritik am russischen Vorgehen auf der Krim – versucht, die Moskauer Regierung in ihren Einkreisungsängsten zu verstehen oder vor einem Denken in Kategorien des Kalten Krieges zu warnen, einen Politiker direkt zu einem „Putin-Versteher“ macht? Gerade die Russland-Frage führt zu ehrabschneidenden Unterstellungen von beiden Seiten: Für die an den USA orientierten „Atlantiker“ sind alle diejenigen, die nicht mit Hurra neue Sanktionen gegen Russland fordern, unzuverlässige und antiwestliche Politiker. Die Gegenseite wiederum wirft den Anti-Putin-Kräften gerne vor, sie seien USA-hörig und abhängig vom (jüdisch beeinflussten) Ostenküstenestablishment. Ein Politiker wie Philipp Mißfelder, der sich in keine Schablone pressen ließ, aber Netzwerke in den USA wie in Russland unterhielt, konnte es keinem recht machen. Einige in der Unionsfraktion hätten ihn deshalb am liebsten vom Posten des außenpolitischen Sprechers der CDU/CSU-Fraktion entfernt. Auch dass er es sich nicht nehmen ließ, zu umstrittenen Unionspolitikern wie dem CSU-Granden Peter Gauweiler zu stehen und ein freundschaftliches Verhältnis zu pflegen, trug ihm Kritik ein. Eine hochrangige Führungskraft der Unionsfraktion warnte ihn einmal, er solle sich nicht (als Gauweiler noch im Bundestag saß) zu sichtbar mit dem bayerischen Politiker einlassen, weil das Kanzlerin Merkel gar nicht gerne sehen würde und ihm das schaden könne. Philipp Mißfelder tat es aber trotzdem.

Man arbeitete mit Unterstellungen

Weil er argumentativ sich zu wehren wusste, arbeitete man schließlich mit Unterstellungen – im Fokus waren seine Netzwerke nach Russland und Nebentätigkeiten. Die hat Philipp Mißfelder immer transparent gemacht. Ja, er hatte gut dotierte Aufsichts- und Berater-Mandate – eben weil er jemand war, auf dessen Urteil man Wert legte. Daraus wurden – auch aus den eigenen Reihen – skandalisierte Nebentätigkeiten. So können nur Leute argumentieren, die sich gerne aus dem Staatssäckel bezahlen lassen.

Wir brechen schnell den Stab

Philipp Mißfelder hat unter der mangelnden Barmherzigkeit vieler dieser Debatten gelitten. In der deutschen Politik und Medienwelt brechen wir schnell den Stab über einen Menschen, machen aus Lappalien gerne große Skandale und übersehen dabei, dass damit Menschen zerstört werden können. Philipp Mißfelder hat sich nicht zerstören lassen und hat seinen Gegnern nicht den Gefallen getan einzuknicken. Aber sein junges Leben war deshalb auch ein Kampf – und mit Blick auf die Anfeindungen ein unnötiger Kampf. Sein Tod sollte Anlass sein, auch darüber nachzudenken, Debatten anders zu führen, nicht unseren Gegnern die moralische Integrität abzusprechen und einfach mal auch fünfe gerade sein zu lassen. Wer sein Spitzenpersonal zu Übermenschen erziehen möchte, kehre erst mal vor der eigenen Haustür und sollte doch gerade auch als Christ um die menschliche Fehlbarkeit wissen. Vielleicht ist die Unbarmherzigkeit dieser Debattenkultur auch ein Zeichen für die Entchristlichung unserer Gesellschaft. Aber auch Christen tun sich leider nicht immer damit hervor, Barmherzigkeit walten zu lassen. Zu schön ist die Schneidigkeit der eigenen Argumente anzusehen. Nur dass unsere Gesellschaft erkaltet und wir immer mehr deformierte Charaktere in Spitzenämtern bekommen. Philipp Mißfelder war all dies immer ein Graus.

Der Manager und Journalist Michael Inacker (Kleinmachnow bei Potsdam) ist (ehrenamtlicher)
Vorsitzender der Internationalen Martin Luther Stiftung (Erfurt).



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