Nicht jeder, der vor der Flüchtlingsflut warnt, ist ein Extremist

14. September 2015 in Kommentar


Was die Bundesregierung jetzt praktiziert, das durfte man noch vor einer Woche eigentlich nicht ansprechen - Auch angesichts der Flüchtlingskrise muss das Grundrecht auf freie Meinungsäußerung erhalten bleiben. kath.net-Kommentar von Petra Lorleberg


Berlin-Stuttgart (kath.net/pl) Deutschland schließt die Türen für Flüchtlinge, diese Nachricht kam sehr unerwartet. EINE Lehre können wir auf jeden Fall schon aus den aktuellen Entwicklungen in der Flüchtlingskrise ziehen: Was noch vor einer Woche nahezu sanktioniert war zu sagen, dies sagt und vor allem darauf reagiert nun unsere Bundesregierung. Möge diese Entwicklung auch zur Mahnung werden, unliebsame Warner nicht gleich unterschiedlos mit extremistischen Stempeln zum Schweigen zu verurteilen, wie wir dies ja ganz konkret erlebt haben. Nicht jeder, der vor der Flüchtlingsflut warnt, ist ein Extremist.

Bis in die höchsten Kreise hat sich jetzt die Erkenntnis durchgesetzt, dass wir mit dem Flüchtlingsansturm derzeit überfordert sind. In – voll berechtigter! – Reaktion auf braune Kräfte, die vor Brandstiftung und Körperverletzung nicht zurückschreckten, hat sich Deutschland zu einem „Sommermärchen“ bekannt, das den Flüchtlingen unterschiedslos die Türen öffnete. Wirklich sympathisch! Das steht gerade uns Deutschen gut zu Gesicht. Doch nun ist der erste Medienhype offenbar vorbei und es ist Zeit, wieder realistischer hinzuschauen.

Wir stecken wahrhaft in der Zwickmühle. Einerseits können wir als Christen oder auch als glaubensfremde Erben der europäischen Kultur keineswegs die Augen vor der Not der Menschen verschließen. Es wäre ein Unding, nicht zu helfen! Uns Christen mahnt Papst Franziskus obendrein mit allem Recht zu aktivster Teilnahme an der Linderung der Flüchtlingsnot. Auch ist es eine absolute Schande für Europa, dass die Not erst derart konkret vor unserer eigenen Tür stranden muss, bis wir mit einem gewissen Schwung in die Gänge kommen und tatkräftig in die Hände spucken. Die Kinder, die die ganzen Jahre in Afrika und anderswo verhungern oder unterernährt, deprivilegiert, chancenlos ins Leben starten, hätten schon längst dasselbe gemeinschaftliche Engagement verdient.

Andererseits muss eine nüchterne Betrachtung der Sachlage auch feststellen, wo wir selbst an unsere Leistungsgrenzen kommen. Wie viele Menschen können wir aufnehmen? Wieviel Anteile fremder Kulturen verkraftet unsere eigene Kultur, damit wir unsere Grundwerte wie Demokratie, Religionsfreiheit, Gleichberechtigung von Mann und Frau voll erhalten können?

Um dies klarzustellen – nach diesem Sommer ist dies ja leider notwendig –: Ich spreche nicht von Brandstiftern. Wer verbal oder konkret Feuer unter Menschen wirft, gehört hinter Schloss und Riegel ohne Zugang zu jeder Art von öffentlichem Mikrofon und ohne Rücksicht auf die Frage, ob er nun eher rechts- oder eher linksextrem ist.

Zu unserer demokratischen Grundkultur gehört aber die Meinungsfreiheit der besonnen Bürger, und diese hat in diesem Sommer erheblich Schaden genommen. Wir brauchen beide Seiten: Wir brauchen die bedingungslose Annahme, die tatkräftige Sorge um vor unserer Haustür hilfslos gestrandete Menschen; und wir brauchen ebenso den nachdenklichen Warner, der über die Tagesnot hinaus überlegt, wohin der Kurs gehen soll. Wir müssen also den Weg der Mitte gehen, mit freiem Blick nach beiden Seiten.

Obendrein ist es wohl an der Zeit, über ein Einwanderungsgesetz nachzudenken. Wer sich bei uns integrieren will, für den haben wir Platz und Kraft, dem sollen unsere Türen weiter offen stehen als dem Integrationsunwilligen.

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