Das Erbarmen Gottes begreifen

6. Oktober 2015 in Aktuelles


Franziskus in Santa Marta: Wo der Herr ist, da ist Barmherzigkeit – Und wo Strenge herrscht, da sind nur seine Diener. Von Armin Schwibach


Rom (kath.net/as) Die erste Lesung aus dem Buch Jona (Jona 3,1-10) bildete den Ausgangspunkt für die Betrachtungen von Papst Franziskus in seiner Predigt bei der heiligen Messe in der Kapelle des vatikanischen Gästehauses „Domus Sanctae Marthae“ am Dienstag der 27. Woche im Jahreskreis, Fest des heiligen Mönchs, Einsiedlers und Ordensgründers Bruno.

Der Prophet Jona widersteht zunächst dem Willen Gottes, doch am Ende macht er sich auf nach Ninive, „wie der Herr es ihm befohlen hatte“ (V. 3): er lernt, dass er dem Herrn Gehorsam schuldet. Gerade dank der Verkündigung des Propheten kehre die Stadt um, so der Papst: „Tatsächlich wirkt er das Wunder, da er in diesem Fall seine Sturheit beiseite gelassen und dem Willen Gottes gehorcht hat, und er tat das, was der Herr ihm aufgetragen hat“.

Angesichts dieser Umkehr jedoch „ärgert sich Jona, der gegenüber dem Willen Gottes nicht fügsam ist: ‚Das missfiel Jona ganz und gar und er wurde zornig’ (Jon 4,1)“. Mehr noch: er tadle den Herrn.

Diese Geschichte von Jona und Ninive vollziehe sich in drei Kapiteln. Das erste bestehe im Widerstand gegenüber der Sendung, die der Herr dem Propheten anvertraue. Das zweite zeige den Gehorsam, „und wenn man gehorsam ist, dann wirkt man Wunder. Der Gehorsam gegenüber dem Willen Gottes – und Ninive kehrt um“. Im dritten Kapitel der Geschichte finde sich dann der Widerstand gegenüber der Barmherzigkeit Gottes:

„Jene Worte: ‚Ach Herr, habe ich das nicht schon gesagt, als ich noch daheim war? Eben darum wollte ich ja nach Tarschisch fliehen; denn ich wusste, dass du ein gnädiger und barmherziger Gott bist, langmütig und reich an Huld und dass deine Drohungen dich reuen’ (4,3) – und ich, ich habe meine Arbeit der Verkündigung getan, ich habe meine Arbeit gut getan, und du vergibst ihnen? Es ist das Herz von derartiger Härte, das die Barmherzigkeit Gottes nicht eintreten lässt. Wichtiger ist meine Verkündigung, wichtiger sind meine Gedanken, wichtiger ist jenes ganze Verzeichnis der Gebote, die ich beachten muss, alles, alles, alles ist wichtiger als die Barmherzigkeit Gottes“.

„Das ist das Drama“, so Franziskus weiter, „das auch Jesus mit den Gesetzeslehrern erlebt hat, die nicht verstanden, warum er es verhinderte, dass jene Ehebrecherin gesteinigt wird, warum er mit den Zöllnern und Sündern aß: sie verstanden nicht. Sie verstanden die Barmherzigkeit nicht. ‚Du bist gnädig und barmherzig’“, sage Jona, doch er akzeptiere dies nicht. Der Antwortpsalm (Ps 139 [138], 1-3.13-14.15-16b) lege nahe, den Herrn zu erwarten, da mit ihm das Erbarmen komme, „und groß ist mit ihm die Erlösung“.

„Wo der Herr ist, da ist Barmherzigkeit“, so der Papst: „Und der heilige Ambrosius fügte hinzu: ‚Und wo Strenge herrscht, da sind nur seine Diener’. Die Sturheit, die die Sendung herausfordert, die die Barmherzigkeit herausfordert“:

„Da das Heilige Jahr der Barmherzigkeit nunmehr nahe steht, wollen wir den Herrn bitten, dass er uns verstehen lasse, wie sein Herz ist, was ‚Barmherzigkeit’ bedeutet, was es heißen soll, wenn er sagt: ‚Barmherzigkeit will ich, nicht Opfer!’ (Mt 9,13). Und deshalb haben wir im Tagesgebet so sehr mit diesem so schönen Wort gebetet: ‚Gieße dein Erbarmen über uns aus’, denn das Erbarmen Gottes begreift man nur, wenn es über uns ausgegossen wird, über unsere Sünden, über unser Elend...“.

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