Eine Abtreibung wird in Deutschland immer leichter

24. Oktober 2015 in Familie


Jahrestreffen der Lebensrechtsbewegung KALEB – Kritik an der Rolle der EKD – Gynäkologe Kiworr: Werden im Bluttest Chrososomenabweichungen festgestellt, folgt in 95 Prozent die Abtreibung: „Hier erleben wir einen Dammbruch“


Bad Blankenburg (kath.net/idea) „Die Hürden, in Deutschland ein Kind abzutreiben, sind heute so niedrig wie noch nie, und es wird immer leichter.“ Das beklagt der Gynäkologe Michael Kiworr (Mannheim) auf der Jahrestagung der christlichen Lebensrechtsvereinigung KALEB (Kooperative Arbeit Leben Ehrfürchtig Bewahren/Berlin) im thüringischen Bad Blankenburg. Zu dieser Entwicklung trügen vorgeburtliche Bluttests wesentlich bei. Deren Hersteller werben damit, bereits ab der zehnten Schwangerschaftswoche Gewissheit darüber zu bekommen, ob ein Kind gesund zur Welt kommt oder eine genetische Erkrankung aufweist. Für die „Nicht Invasiven Pränatal-Tests“ – NIPT genannt – benötigt man nur wenige Tropfen Blut der Mutter, das die Erbinformationen des Fötus enthält. Werden dabei Chromosomenabweichungen festgestellt, führt dies meist zu einer Abtreibung. Beim Down-Syndrom passiert dies in 95 Prozent der Fälle. „Hier erleben wir einen Dammbruch“, so Kiworr: „Über das Internet kann jede werdende Mutter einen solchen Test machen. Es gibt keine Regulierung. Politik, Medizin und Kirchen hinken dieser rasanten Entwicklung hinterher.“ Aus eigener Erfahrung weiß Kiworr, wie ungenau diese Tests sind. Dennoch entschließen sich viele Schwangere sofort für einen Abbruch, wenn eine „schwerwiegende Krankheit“ festgestellt wurde. Bisher gebe es aber keine verbindliche Definition, was darunter zu verstehen ist. Kiworr ermutigte Christen, den Kontakt zu Ärzten, Verbänden und Politikern zu suchen, um über die Risiken pränataler Tests aufzuklären.

Warum setzt sich die EKD nicht für die Schwächsten – die Ungeborenen – ein?

Über das Verhältnis der EKD zum Schutz ungeborener Kinder sprach der Religionspädagoge Andreas Lindner (Erfurt). Dass sich die Kirchen bei diesem Thema schwertun, werde alljährlich beim „Marsch für das Leben“ in Berlin überdeutlich. Im Gegensatz zur katholischen Kirche beargwöhne die EKD die Demonstration als eine illiberale Veranstaltung. In diesem Jahr hätten sich mit den Bischöfen von Sachsen und Württemberg, Carsten Rentzing (Dresden) und Frank Otfried July (Stuttgart), gerade einmal zwei von 20 Kirchenleitern in unterstützender Weise geäußert. Zu den antidemokratischen Aktionen der Linken gegen den Schweigemarsch seien ihm keine kritischen Äußerungen der EKD bekannt. „Für mich ist es völlig unverständlich, warum sich die EKD dem gesellschaftlichen und medialen Mainstream anpasst und sich nicht, wie es das Evangelium fordert, für die Schwächsten der Gesellschaft einsetzt, die ungeborenen Kinder“, kritisierte Lindner.

Meinungsforscher: Das Leben wird immer mehr relativiert

Das Thema Lebensrecht im Wandel der öffentlichen Meinung beleuchtete der Geschäftsführer des Meinungsforschungsinstituts INSA-CONSULERE, Hermann Binkert (Erfurt). Mittlerweile werde nicht nur das Lebensrecht des Menschen zu Beginn infrage gestellt, sondern auch am Ende. „Es wird über aktive Sterbehilfe diskutiert, wo es doch eigentlich darum ginge, aktive Lebenshilfe zu betreiben. Und wir stellen fest, dass die Menschen unzufrieden sind damit, dass das Leben relativiert wird. Es gibt ein großes Bedürfnis, Anker zu finden“, sagte er der Evangelischen Nachrichtenagentur idea. Laut Binkert hätte die Gesellschaft eine gute Zukunft, wenn es eine Willkommenskultur für das Leben in jeder Phase gäbe: „Wir rechnen zu wenig mit dem Unwahrscheinlichen.“

KALEB: Seit 25 Jahren für den Lebensschutz aktiv

KALEB setzt sich seit 25 Jahren für den Schutz menschlichen Lebens in allen seinen Phasen ein. Schwerpunkt der 40 Regionalgruppen ist die Unterstützung und Beratung von Schwangeren und Familien in schwierigen Lebenssituationen. Der Verein hat rund 1.200 Mitglieder und ist Mitglied im Bundesverband Lebensrecht. Die Geschäftsstelle befindet sich in Berlin, wird aber nach der Fertigstellung des „Hauses für das Leben“ in die neue Zentrale nach Chemnitz verlegt werden. Geschäftsführer ist Gerhard Steier, Vorsitzende Ruthild Kohlmann (Chemnitz).


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