'Zukunft gestalten aus dem Geist erfahrener Versöhnung'

23. November 2015 in Chronik


Deutsche und Polnische Bischofskonferenz würdigen historischen Briefwechsel in Tschenstochau


Tschenstochau-Bonn (kath.net/DBK) Mit einer Gedenkfeier und einem Gottesdienst in Tschenstochau haben am Sonntag die Polnische und die Deutsche Bischofskonferenz des historischen Briefwechsels zwischen beiden Episkopaten vor 50 Jahren gedacht. Der Briefwechsel zählt zu den Wendepunkten in der Geschichte von Polen und Deutschen nach dem Zweiten Weltkrieg. Am Ende des polnischen Briefes stehen die Worte: „Wir strecken unsere Hände zu Ihnen hin in den Bänken des zu Ende gehenden Konzils, gewähren Vergebung und bitten um Vergebung.“ Die beiden Delegationen wurden von den Vorsitzenden der Bischofskonferenzen, Erzbischof Stanisław Gądecki und Kardinal Reinhard Marx, geleitet.

Während der Eucharistiefeier in der Kapelle der Mutter Gottes von Tschenstochau würdigte Kardinal Marx das heutige Verhältnis zwischen Polen und Deutschland: „Das alltägliche Zusammenleben von Polen und Deutschen ist so normal, wie man es sich nur denken kann.“ Umso schwieriger sei die Zeit während des Weltkrieges gewesen. Der polnische Klerus habe während der Jahre der Besatzung einen „gewaltigen Blutzoll entrichten müssen“, so Kardinal Marx. Daher sei es umso bedeutender gewesen, dass „die polnischen Bischöfe nur zwanzig Jahre nach all der Barbarei Vergebung gewährt und – mehr noch – auch Vergebung erbeten haben“. Das Entscheidende des 1965 begonnenen Versöhnungsprozesses sei gewesen: „Beide, die Bischöfe in Polen und in Deutschland, haben tatsächlich dafür gesorgt, dass Hass, Zwietracht und politisches Kalkül unsere Hände nicht wieder trennen konnten. Bei allem Auf und Ab der politischen Beziehungen, bei manchen Ungereimtheiten und Enttäuschungen, die es auch im Verhältnis zwischen der Kirche in Deutschland und in Polen gab: Die Kirche in beiden Ländern – nicht nur die Bischöfe, sondern auch Priester und Laien – ist zusammengeblieben. Gemeinsam wollen wir unsere Heimat Europa und die Zukunft des Christentums auf unserem Kontinent gestalten. Dies war gleichsam das Programm des Briefwechsels. Ihm sind wir treu geblieben. Ihm müssen wir auch in Zukunft treu bleiben“, betonte Kardinal Marx.

Festakt würdigt Versöhnungsprozess

Bei einem Festakt würdigten die Vertreter beider Bischofskonferenzen den langen und erfolgreichen Versöhnungsprozess. Dazu trug auch ein Podiumsgespräch bei, an dem die Vorsitzenden der polnisch-deutschen Kontaktgruppe der Bischofskonferenzen, Erzbischof Dr. Ludwig Schick (Bamberg) und Erzbischof Dr. Wiktor Skworc (Kattowitz), sowie Dr. Andrzej Grajewski (Publizist, Gość Niedzielny) und Dr. Gerhard Albert (Geschäftsführer von Renovabis) teilnahmen.

Erzbischof Stanisław Gądecki hob bei dem Festakt hervor: „Mea culpa bezieht sich auf die Sünden der Vergangenheit. Denn ohne die Sünden der Vergangenheit können wir die Situation von heute nicht verstehen. Die Kirche kann und darf nicht mit Arroganz in der Gegenwart leben, sich von den Sünden ausgenommen fühlen und als Quelle des Bösen die Sünden der anderen, der Vergangenheit, ausmachen. Das Bekennen der Sünde der anderen befreit nicht vom Anerkennen der Sünden der Gegenwart, es hilft, das eigene Gewissen zu wecken und den Weg zur Bekehrung für uns alle zu öffnen.“

„Dank sei Gott für unser heutiges Treffen auf Jasna Góra.“ Genau zu diesem Ort lud die Polnische Bischofskonferenz Papst Paul VI. und die Bischöfe aus der ganzen Welt, darunter die Bischöfe aus Deutschland, ein, um das 1.000. Jubiläum der Taufe Polens, am 3. Mai 1966, gemeinsam zu feiern. „Heute werden wir Seite an Seite stehen, die deutschen und die polnischen Bischöfe, um zu sagen, dass wir versöhnt sind! Versöhnt in Christus und untereinander.“ Erzbischof Gądecki erinnerte an das „Bensberger Memorandum“ von 1968, das sich für die Anerkennung der Oder-Neiße-Grenze ausgesprochen hatte. Mitunterzeichner dieses Dokuments war Prof. Joseph Ratzinger, der spätere Papst Benedikt XVI., der in einem Brief bekannt hatte, wegen dieser Initiative, auf die er lange gewartet habe, glücklich zu sein.


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