Advent - Offen sein für Gott

29. November 2015 in Spirituelles


In Deutschland reden wir gerne vom „Priestermangel“. Doch eigentlich fehlen die „Überzeugungstäter“ mitten in der Welt: christliche Eheleute, die sich ihr Leben lang treu bleiben, die ihren Glauben täglich praktizieren. Von Georg Dietlein


Köln (kath.net/gd) Advent bedeutet Ankunft: Gott will bei uns ankommen. Er kommt uns entgegen. Er kommt auf uns zu. Damit aber eine Botschaft oder eine Person wirklich bei uns „ankommen“ kann, bedarf es unserer Mitwirkung: Wir müssen offen sein für das Neue, müssen den Kommenden erwarten, müssen uns darum bemühen, das Herannahende zu erkennen und dann auch anzunehmen. Nur so kann Gott in uns wirksam sein: wenn wir uns ihm wirklich öffnen.

Entsprechend lautet mein ganz persönlicher Adventsvorsatz: offen zu werden für Gott, für seine Botschaft, für seinen ganz persönlichen Plan mit mir – und dabei frei zu werden von allen inneren und äußeren Zwängen, von meinen persönlichen Wünschen und Träumen, von falschen Interessen und Neigungen – und auch von den Erwartungen anderer, die einen bei der Suche nach der eigenen Berufung zuweilen ziemlich unfrei machen können.

Gott hat jedem einzelnen von uns seine ganz persönliche Berufung „in die Wiege gelegt“ – und zwar so, dass Gottes Plan mit uns, seine „Idee“ von unserem Leben, schon da war als wir noch gar nicht da waren. Wir sind also keine ziel- oder planlosen Wesen. Vielmehr ist Gottes Plan mit uns ganz eng mit unserer Person verwoben. Wenn wir diesen Plan annehmen, kann für uns daraus das ganz große Los werden! Gott hat wirklich Großes mit uns vor – auch noch, wie wir bei Abraham sehen, im hohen Alter. Lassen wir uns von ihm überraschen! Lassen wir uns auf ihn und seinen Ruf ein! Seien wir wirklich offen für das, was uns da erwartet. Und seien wir nicht traurig, wenn der Ruf Gottes ganz anders ausfällt als wir es vielleicht erwartet haben. Die Grundhaltung, um wirklich offen zu sein für Gott, ist die Hingabe, die Gott alles geben würde (und letztlich auch gibt). Erst aus dieser Grundhaltung heraus sind wir bereit, den Ruf Gottes anzunehmen.

Bei meinen letzten Exerzitien habe ich mir einmal die Zeit genommen, meine „Glaubensbiographie“ nachzuzeichnen. Dabei ist mir aufgefallen, dass mich die „Berufungsfrage“ nun seit über zehn Jahren beschäftigt. Bereits im Alter von 12 Jahren habe ich über eine geistliche Berufung nachgedacht und dann wenig später angefangen, Theologie zu studieren. Die letzten Jahre haben mir die Augen noch einmal neu geöffnet: Es gibt eine ganze Vielfalt an geistlichen und laikalen Berufungen. Priester zu werden ist nicht der einzige, bessere oder hingebungsvollere Weg, Christus zu lieben und ihm nachzufolgen. Das Priestertum hat zwar eine andere Qualität als der Dienst an und in der Welt. Doch geht damit nicht automatisch eine größere Quantität an Hingabe einher, die der Priester dem Laien quasi voraushätte.

In Deutschland reden wir gerne vom „Priestermangel“. Im internationalen Vergleich und angesichts einer Erosion des katholischen Glaubens in Deutschland (Messbesuch, Beichtpraxis, Zahl der Eheschließungen) kann davon eigentlich nicht die Rede sein. Es fehlen die „Überzeugungstäter“ mitten in der Welt: christliche Eheleute, die sich ihr Leben lang treu bleiben, die offen für das Leben sind, die ihren Glauben täglich praktizieren, die Verantwortung in der Welt übernehmen und uns so die Schönheit des Evangeliums von der Familie vorleben. Ein solches christliches Ehe- und Familienleben zu führen ist heute vielleicht sogar noch anspruchsvoller als das Leben als Priester.


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