Bolz: Evangelische Kirche hat Angst vor eigenen Glaubenswahrheiten

9. Dezember 2015 in Deutschland


Evangelischer Medienwissenschaftler: Immer weniger Dogmen – „Aus Jesus ist ein guter Mensch geworden, … ein Integrationsbeauftragter höherer Ordnung. Aber wer den Lehrer und Sozialarbeiter Jesus lobt, will den Erlöser Christus verdrängen.“


Stuttgart (kath.net/idea) Die evangelische Kirche hat Angst vor den eigenen Glaubenswahrheiten und möchte um keinen Preis rechtgläubig sein. Diesen Vorwurf erhebt der Medienwissenschaftler Prof. Norbert Bolz (Berlin) in einem Beitrag für den Südwestrundfunk (Stuttgart). Nach seinen Worten vermeidet die evangelische Kirche Konflikte, indem sie immer weniger Dogmen vertritt: „Man lässt sich zwar noch von der Jesus-Geschichte rühren, vor allem an Weihnachten. Aber vom Jüngsten Gericht will niemand mehr etwas hören. Aus Gott ist der liebe Gott geworden. Und aus Jesus ist ein guter Mensch geworden – gewissermaßen ein Integrationsbeauftragter höherer Ordnung. Aber wer den Lehrer und Sozialarbeiter Jesus lobt, will den Erlöser Christus verdrängen.“ Wenn Jesus nur ein Lehrer des richtigen moralischen Verhaltens gewesen wäre, hätte man ihn nicht gekreuzigt, so Bolz.

Nach Beobachtung des Protestanten hört man von Pfarrern nur noch selten etwas über „den Skandal des Wortes vom Kreuz“. Dabei stehe diese Botschaft im Zentrum der Briefe des Apostels Paulus. Die Kirche ersetze „den Skandal des Gekreuzigten zunehmend durch einen neutralen Kult der Menschheit“. Durch diesen „Verrat am Kreuz“ bleibe nur „die Sentimentalität einer unrealistischen Menschenfreundlichkeit“. Statt der Botschaft vom Kreuz bekomme man viel zu hören „über die unzähligen kleinen Kreuze dieser Welt wie Hunger, Flüchtlingselend, Arbeitslosigkeit, Klimakatastrophe“.

Bolz: „Der Pfarrer tritt immer häufiger als Gutmensch auf – und das heißt in der Sprache des Neuen Testaments: als Pharisäer. Dabei missbraucht er seine Predigt für einen sentimentalen Moralismus.“ Bolz verweist dabei auf eine Aussage des evangelischen Kirchenhistorikers Franz Overbeck (1837-1905): „Nichts entvölkert unsere Kirchen so sehr, als dass man es in ihrem Gottesdienst so viel mit den persönlichen Ansichten ihrer Prediger zu tun hat.“


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