Helm, Mantel, Pferd

31. Dezember 2015 in Chronik


2016 wird ein Festjahr für den heiligen Martin gefeiert - Von Michael Jacquemain (KNA)


Stuttgart (kath.net/ KNA) Kein Heiliger ist so populär wie er und so tief im Brauchtum verwurzelt wie der Bischof Martin von Tours: Martinslieder, Martinslaterne, Martinsumzug, Martinsgans. 2016 wird sein 1.700 Geburtstag gefeiert.

Hoch zu Ross kommt er daher, um die Schulter ein langes rotes Tuch. Dahinter Kinder mit Laternen; eine Kapelle spielt religiöse Volksweisen. Seit Generationen gehören Martinsumzüge zum festen Bestandteil des Novembers. Der Mann, der sich wie kein zweiter Heiliger tief ins Brauchtum eingegraben hat, wurde vor 1.700 Jahren geboren. Deshalb ist für 2016 ein europäisches Martinsjahr ausgerufen worden.

Die Verehrung hängt ganz wesentlich mit der mutmaßlich historisch richtigen Legende zusammen, dass Martin seinen Mantel mit einem frierenden Bettler teilte. Er wurde so zur «Ikone der Nächstenliebe», wie es Papst Benedikt XVI. nannte. Doch Martin lässt sich nicht nur katholisch verorten; er wird auch von evangelischen, orthodoxen und anglikanischen Christen bewundert.

Die Zahl der Legenden und Geschichten, die sich um ihn ranken, ist immens. So versteckte er sich etwa nach seiner Wahl zum Bischof durch das Volk in einem Stall; die Gänse verrieten ihn, und so musste er das Amt doch annehmen. Bis heute überlebt hat auch der Brauch, an seinem Namensfest am 11. November eine Martinsgans zu essen. Aber Martin soll auch mit Tieren gesprochen, Kranke geheilt und Tote erweckt haben.

Trotz aller Märchen und Mythen: Über die historische Gestalt ist für einen Menschen aus dem vierten Jahrhundert außerordentlich viel bekannt und belegt. Das liegt vor allem an Sulpicius Severus, einem Weggefährten Martins, der eine umfassende Biografie verfasste. Gebhard Fürst, Bischof von Rottenburg-Stuttgart und damit Chef einer der beiden deutschen Diözesen, deren Patron Martin ist, fasst es so zusammen: «Martin ist kein Mythos.»

Gefeiert wird Martin weltweit. Den Auftakt macht mit einem Gottesdienst die katholische Kirche im ungarischen Szombathely. Dort wurde Martin 316 geboren, als die Stadt noch Sabaria hieß und Teil des Römischen Reiches war. Nun putzt sich Szombathely heraus; die Renovierung der Martinskirche ist fast abgeschlossen, und die Arbeiten an der Kathedrale sind in vollem Gang.

Die Stadt nahe der österreichisch-ungarischen Grenze hofft sogar darauf, dass sie 2016 vom Papst besucht wird. Die Gespräche zwischen Rom und Budapest laufen. Ein Abstecher nach Szombathely hätte durchaus Sinn für einen Papst, der sich nach Franziskus und damit nach einem Geistesverwandten Martins benannt hat. Und schließlich kommt Jorge Mario Bergoglio mit Buenos Aires auch aus einer Stadt, deren Patron Martin heißt.

Für viele ist Martin mehr als eine Figur des Brauchtums. Bischof Fürst will den Heiligen im Hier und Heute verorten, nennt seine Diözese wegen vieler Sozialprojekte «Martinsland» und sieht in ihm die Leitfigur der Seelsorge. Martin stehe für die Idee des ehemaligen EG-Kommissionspräsidenten Jacques Delors', Europa eine Seele zu geben. Fürst sagt: «Martin steht für diese Seele.»

Es passt, dass der Europarat vor zehn Jahren eine Martins-Route quer durch den Kontinent als Kulturweg zertifizierte. Er verbindet den Geburtsort mit dem Grab des fränkischen Nationalheiligen in seiner Bischofsstadt Tours. Inzwischen gibt es neben dieser südlichen Route über Slowenien und Italien eine nördliche Tour, die durch Österreich und Deutschland verläuft, allesamt zu erkennen an bordeauxroten Tafeln mit einem gelben Kreuz und dem Signet des Europarates.

Zwar sind die Routen von der Popularität der Wege nach Santiago noch weit entfernt - doch das Netz wächst. Der rund 750 Kilometer lange deutsche Abschnitt soll 2016 zu einem großen Teil ausgeschildert sein und offiziell eingeweiht werden. Er führt von Passau nach Landshut, wo der Turm des Martinsmünsters mit knapp 130 Metern als weltweit höchstes Ziegelgebäude gilt. Über Augsburg, Rottenburg und Bruchsal geht es nach Worms, wo Martin tatsächlich war, und schließlich nach Mainz und Trier.

Doch Martin steht nicht nur für Bewegung, Beten und Brauchtum, sondern im Jubiläumsjahr auch für Kultur: für Konzerte, Ausstellungen, Feste. Verändert hat sich in den vergangenen Jahren indes oft die Darstellung des Heiligen in der bildenden Kunst. Er steht dann dem Bettler gegenüber - auf Augenhöhe. Und entgegen jeder Kindheitserinnerung nicht mehr hoch zu Ross.

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