Theologe Striet für offeneren Umgang mit dem Thema Missbrauch

26. Jänner 2016 in Deutschland


Fundamentaltheologe Magnus Striet: «Wer das Thema offen behandelte, dem drohte, gemaßregelt zu werden. Seit der Aufdeckung von sexueller Gewalt an Kindern und Jugendlichen in kirchlichen Einrichtungen und durch Amtsträger ist dies anders geworden.


Bonn (kath.net/KNA) Der Freiburger Fundamentaltheologe Magnus Striet sieht einen großen Nachholbedarf in Kirche und Theologie beim Umgang mit dem Thema sexueller Missbrauch. Es habe zu lange «inoffizielle Denkverbote» gegeben, sagte Striet am Montag in einem Interview mit dem Internetportal katholisch.de. «Wer das Thema offen behandelte, dem drohte, gemaßregelt zu werden. Seit der Aufdeckung von sexueller Gewalt an Kindern und Jugendlichen in kirchlichen Einrichtungen und durch Amtsträger ist dies anders geworden.» Allerdings stünden weiterhin grundsätzliche theologische Fragen an, die weit über den Bereich der Moraltheologie hinausgingen.

Theologiestudierende, die künftig eine Funktion in der Kirche ausüben wollten, müssten stärker für dieses Thema sensibilisiert werden, so Striet weiter. Im Raum der Kirche müsse zudem «die Frage gestellt werden, ob nicht auch Theologie einen Anteil daran hat, dass es zu Missbrauch durch Amtsträger kommen konnte». So sei etwa lange Zeit das Menschenbild «auf die Sünde hin konzentriert» gewesen. Dadurch habe die Kirche nicht nur Macht ausgeübt, «sondern auch eine Sprachlosigkeit erzeugt, wenn es um die Opfer von Gewalt geht».

Das Amt des Priesters sei auch durch eigene Fehler in der Kirche nach der Aufdeckung der Missbrauchsfälle zutiefst geschädigt worden, betonte der Theologe: «Weil man verschwiegen und teils vertuscht hat, steht jetzt ein Generalverdacht im Raum. Er führt auch zu einer teils harten, schlicht ungerechten Wahrnehmung. Aber auch das ist auszuhalten.»

Heute, so Striet, müsse man verstärkt darauf achten, dass Menschen «mit unreifer Persönlichkeitsentwicklung beziehungsweise einem Gefährdungspotenzial nicht in den kirchlichen Dienst gelangen». Dabei helfe aber weniger das Gebet, um dies zu verhindern, «sondern nur das Wissen, das die Wissenschaften über den Menschen und seine psychischen Abgründe gewonnen haben».

Nach den Fehlern der Vergangenheit habe er aber den Eindruck, «dass in den meisten Diözesen hierzulande inzwischen eine hohe Sensibilität für das Thema entwickelt wurde, Prävention längst keine leere Worthülse mehr ist».

Vor kurzem hatte auch der vatikanische Missbrauchsexperte Hans Zollner die akademische Theologie aufgefordert, sich intensiver mit dem Missbrauch in der Kirche zu befassen. Viele Bischöfe delegierten das Problem noch immer gerne an Psychologen und Kirchenrechtler, aber «das genügt nicht».

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