Wien: Fischer betont Bedeutung der Religion für Integration

6. Februar 2016 in Aktuelles


Bundespräsident Fischer im Wiener Abdullah-Dialogzentrum: "Es ist möglich, gleichzeitig guter Muslim und guter Österreicher zu sein" – Der Ausformung eines europäischen Islam werde große Bedeutung zukommen


Wien (kath.net/KAP/red) Bundespräsident Heinz Fischer hat am Dienstagabend im Wiener König-Abdullah-Dialogzentrum (KAICIID) aus Anlass der von der UNO ausgerufenen "World Interfaith Harmony Week" vor den Vertretern der Kirchen und Religionsgemeinschaften Österreichs - mit Kardinal Christoph Schönborn an der Spitze - und der Diplomatie die Bedeutung des interreligiösen Dialogs auch für die Flüchtlingsfrage betont. Dabei werde u.a. der Ausformung eines europäischen Islam große Bedeutung zukommen, sagte Fischer. Im internationalen Bereich brauche es Dialogplattformen, wo auch "Sorgen, Wünsche und Probleme aus dem Bereich der Menschenrechte und des interreligiösen Dialogs sachlich, aber klar und offen angesprochen werden können".

Das KAICIID habe das Potenzial, durch seine Tätigkeit ein besseres Verständnis zwischen den Religionen zu schaffen und dadurch einen wichtigen Beitrag zur Entfaltung und Weiterentwicklung der Menschenrechte zu leisten, betonte der Bundespräsident. Schließlich sei das KAICIID "die einzige internationale Organisation, in der führende Persönlichkeiten der fünf großen Weltreligionen gleichberechtigt zusammenarbeiten".

Im Blick auf Saudi-Arabien kritisierte Fischer die Todesurteile gegen 47 angebliche Terroristen. Diese hätten ihn "als überzeugten Gegner der Todesstrafe sehr geschmerzt". Zugleich verurteilte er auch die gewaltsamen Proteste gegen saudische diplomatische Vertretungen in Teheran.

Der Präsident warnte davor, die Bedeutung der Menschenrechte durch religiöse oder ideologische Gründe zu relativieren. "Meine persönliche Überzeugung ist, dass nur eine Religion, die Frieden zwischen den Menschen predigt, ihrem Auftrag gerecht wird."

Integration braucht interreligiösen Dialog

Fischer sprach sich auch dafür aus, die Integration von Flüchtlingen stärker zum Gegenstand des interreligiösen Dialogs zu machen. "Zu einer erfolgreichen Integration gehört nicht zuletzt auch die Klarstellung, dass extremistische Einstellungen Einzelner, die den Grundwerten unseres Staates und unserer Gesellschaft entgegengesetzt sind und die innere Sicherheit gefährden, nicht akzeptiert werden können."

Die "gelebte Realität" der österreichischen Muslime sei jene eines "Islams europäischer Prägung eingebettet in einen Staat mit einer demokratischen Grundordnung", zeigte sich Fischer überzeugt. "Es ist möglich, gleichzeitig guter Muslim und guter Österreicher zu sein", sagte Fischer. "Ich möchte daher bekräftigen, dass die bei uns dauerhaft lebenden Muslime ein wertvoller Bestandteil unserer Gesellschaft sein können und auch sein sollen."

Als Thema für den interreligiösen Dialog sieht Fischer auch die Unterschiede bei der Stellung der Frau in Familie und Gesellschaft, die "in der Praxis oft beträchtliche Schwierigkeiten" verursachen. Diese Frage müsse "offen diskutiert" werden. Allerdings sei auch in den westlichen Gesellschaften in Bezug auf die Gleichberechtigung "manches, was heute selbstverständlich ist, vor zwei oder drei Generationen noch absolut unvorstellbar" gewesen. "Das lässt Raum für die Hoffnung und Erwartung, dass sich die Stellung und die Rolle der Frau auch in anderen Gesellschaften, z.B. in jenen, die vom Islam geprägt sind, weiterentwickeln wird."

Anlässlich des Events fand vor dem KAICIID eine Mahnwache der Grünen gegen die Auspeitschungs-Bestrafung des saudischen Bloggers Raif Badawi statt. Etwa 40 Personen beteiligten sich.

Das König-Abdullah-Zentrum ist eine staatenübergreifende Organisation, die im Oktober 2011 von Saudi-Arabien, Österreich und Spanien gegründet wurde. Im Direktorium sind alle fünf Weltreligionen vertreten. Allerdings wird immer wieder kritisiert, dass Saudi-Arabien eventuell zu großen Einfluss auf das Zentrum haben könnte, auch dadurch, dass es das Zentrum praktisch komplett finanziert. Außerdem hört man immer wieder Unverständnis darüber, dass Saudi-Arabien, das selbst die Menschenrechte und die Religionsfreiheit grob verletzt, im Ausland an einem interreligiösen Dialog interessiert sein soll. Vom US-amerikanischen Forschungsinstitut Freedom House wird Saudi-Arabien als eine der repressivsten Diktaturen der Welt eingestuft.

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