Kiewer Erzbischof Schewtschuk übt Kritik an Kuba-Erklärung

16. Februar 2016 in Weltkirche


Schewtschuk: Er selbst sei Mitglied des Ökumenerats, aber "niemand fragte mich nach meinen Gedanken: Sie sprechen über uns, aber ohne uns, und ohne dass wir unsere Stimme einbringen können".


Rom (kath.net/KAP) Die ukrainische griechisch-katholische Kirche fühlt sich vom Vatikan "verraten". Das Treffen zwischen Papst Franziskus und dem Patriarchen von Moskau, Kyrill I., am 12. Februar in Kuba (Archivfoto), ist nach den Worten des Leiters der ukrainischen griechisch-katholischen Kirche, des Großerzbischof von Kiew Swiatoslaw Schewtschuk, eine Begegnung von "zwei Parallelwelten" gewesen, sagte Schewtschuk laut dem römischen katholischen Missionsnachrichtendienstes "AsiaNews" am Montag. "Dies wurde besonders deutlich in den Kommentaren, die dem Treffen folgten. Die beiden Seiten waren auf zwei verschiedenen Wellenlängen, und sie haben unterschiedliche Ziele", sagte Schewtschuk in dem Interview.

Das Moskauer Patriarchat hatte vor dem historischen Treffen hervorgehoben, dass die griechisch-katholische Kirche das größte Hindernis für die Annäherung der Russischen Orthodoxie und der Katholiken sei. "Kein gemeinsames Gebet, der Flughafen als neutrales und nichtkirchliches Umfeld: Der Eindruck ist, dass es zwei Parallelwelten sind. Ich weiß nicht, ob sich diese beiden Realitäten überhaupt in dieser Sitzung durchschnitten haben. Nach mathematischen Regeln schneiden sich zwei parallele Linien nie", so der Großerzbischof.

Der Erzbischof von Kiew sagte, er bewundere die "Demut" des Papstes. Er habe "nur eines wollen: Heute das Evangelium Christi für die Menschheit zu bezeugen". Schewtschuk forderte, "keine schnellen Urteile zu fällen", um zu vermeiden, dass das Treffen nur auf politischer Ebene interpretiert wird. Einige hofften, "einen demütigen, bescheidenen Papst für ihre menschlichen Pläne auszunutzen". "Wenn wir nicht in die geistige Wirklichkeit des Heiligen Vaters treten und wir nicht mit ihm das Handeln des Heiligen Geistes wahrzunehmen versuchen, werden wir in den Grundsätzen dieser Welt und ihrer Gefolgsleute gefangen bleiben", fügte er hinzu.

Der Erzbischof äußerte massivere Kritik an den Textstellen der Gemeinsamen Erklärung, die die Ukraine betreffen. Zwar müsse zugegeben werden, dass es sich um einen "positiven allgemeinen Text" handle, der Themen enthalte, die katholische und orthodoxe Kirchen betreffen "und neue Perspektiven für die Zusammenarbeit öffnet", bezogen auf die griechisch-katholische Kirche gebe er aber "mehr Fragen als Antworten".

Im einzelnen bemängelte Schewtschuk, dass die gemeinsame Erklärung nahe lege, dass die ehemalige Sowjetrepublik "Bürgerkrieg - und nicht die Aggression eines Nachbarlandes" - erlebe. "Für ein Dokument, das angeblich nicht-theologisch sein will, sondern im wesentlichen gesellschaftspolitisch, war es eigentlich schwer, eine noch schwächere Autorengruppe zu finden als die der Textverfasser", sagte er im Blick auf den Päpstlichen Rat für die Einheit der Christen mit Kardinal Kurt Koch an der Spitze.

Koch und sein Team vom Ökumenerat seien nämlich "kompetent in Bezug auf theologische Fragen in den Beziehungen mit den verschiedenen christlichen Kirchen und Gemeinschaften, aber nicht in Fragen der internationalen Politik, vor allem nicht in sensiblen Themen wie der russischen Aggression in der Ukraine". Diese Schwäche sei vom Sekretariat für die Außenbeziehungen des Moskauer Patriarchats beinhart ausgenutzt worden, sagte Schewtschuk. Er selbst sei Mitglied des Ökumenerats - noch von Papst Benedikt XVI. ernannt -, aber "niemand fragte mich nach meinen Gedanken: Sie sprechen über uns, aber ohne uns, und ohne dass wir unsere Stimme einbringen können."

Dass in der gemeinsamen Erklärung das Existenzrecht der ukrainischen griechisch-katholischen Kirche anerkannt wird und dass auch die Berechtigung zum Wirken in den verschiedenen Diasporaländern bestätigt werde, sei gut, so der Großerzbischof. Allerdings sollte das auch ausdrücklich für Russland und die Krim betont werden, denn auf der Halbinsel werde die griechisch-katholische Kirche "'re-registriert" - nämlich nach der russischen Gesetzgebung -, aber in Wirklichkeit fast vollständig liquidiert".

Schewtschuk kam schließlich zum kritischsten Punkt, dem Krieg in Donezk. Die gemeinsame Erklärung "fordert uns auf, unsere Kirchen in der Ukraine zu sozialer Harmonie zu führen, von der Teilnahme an dem Konflikt abzulassen und nicht die weitere Entwicklung des Konflikts zu unterstützen". "Man gewinnt den Eindruck, dass das Patriarchat von Moskau sich weigert, anzuerkennen, dass es Teil des Konflikts ist: Es unterstützt offen die Aggression Russlands gegen die Ukraine und segnet die militärischen Aktionen Russlands in Syrien als 'heiligen Krieg'", prangerte Schewtschuk an: "Der Ausdruck 'Konflikt' verdunkelt. Er scheint den Leser darauf hinzuführen, dass es einen 'Bürgerkrieg' gibt - statt einer Aggression von einem Nachbarstaat."

"Die Kirchen und religiöse Organisationen in der Ukraine haben allerdings nie den Krieg unterstützt und ständig für Frieden und soziale Harmonie gearbeitet", fügte der Kiewer Erzbischof hinzu: "Ohne Zweifel haben diese Worte tiefe Enttäuschung unter vielen Gläubigen unserer Kirche und unter wachen Bürgern der Ukraine verursacht."

Die Aussage sei insoweit relativierbar, als es bereits in der Vergangenheit "eine Reihe von römischen Anweisungen" gegeben habe, die inakzeptabel gewesen seien. "Und so werden wir auch diese überleben", so der Erzbischof: "Die Union und die Gemeinschaft mit dem Heiligen Vater, dem Nachfolger Petri, ist nicht das Ergebnis einer politischen Vereinbarung oder eines diplomatischen Kompromisses, sondern sie ist eine Frage des Glaubens."

Link zur „Gemeinsamen Erklärung“ im Wortlaut.

Unterzeichnung der Gemeinsamen Erklärung und Abschied zwischen Papst Franziskus und dem Patriarchen von Moskau und ganz Russland


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