Wenn Messe zum 'Experimentierfeld religionspädagogischer Eiferer' wird

6. April 2016 in Deutschland


Erfurter Altbischof Wanke kritisiert als „nachkonziliare liturgische Fehlentwicklungen“ u.a.: „Natürlich gibt es eine ganze Liste auch 'progressistischer' Missstände, die ihrerseits traditionalistische Gegenreaktionen auslösen.“


Leipzig (kath.net/KNA) Der katholische Erfurter Altbischof Joachim Wanke hat vor religiösen Extrempositionen gewarnt. Aus der lebendigen Tradition des Glaubens dürfe kein starres System von Sätzen und Normen gemacht werden, betonte Wanke am Dienstagabend bei einem Vortrag in Leipzig. Tradition im katholischen Sinn sei nicht «ein Weiterreichen des immer Gleichen», sondern vielmehr ein Wachstumsvorgang. «Es geht um immer neue Aneignung, nicht um Konservierung.» Falsch wäre eine «Absicherungstaktik», die «am Buchstaben festklebt, die eigentliche Intention des Gottesgebotes vergisst und an den menschlichen Realitäten vorbeisieht».

Zugleich sprach sich Wanke gegen ethische Nivellierungen aus: «Es gibt kein Christentum zu verbilligten Preisen, auch morgen nicht.» Er warnte vor einem «religiösen Liberalismus», der sich dazu verleiten lasse, die christlichen Glaubenswahrheiten «auf den kleinsten gemeinsamen Nenner des heute Vermittelbaren» zu reduzieren. Der Bischof erklärte: «Natürlich gibt es eine ganze Liste auch 'progressistischer' Missstände, die ihrerseits traditionalistische Gegenreaktionen auslösen.» Als Beispiel nannte er «nachkonziliare liturgische Fehlentwicklungen», bei denen die Messe zu einem «Experimentierfeld religionspädagogischer Eiferer» geworden sei.

Populistische und extremistische Positionen drängten derzeit nicht nur im Bereich der Politik in den Vordergrund, kritisierte Wanke. Das Phänomen sei auch bei den Kirchen zu beobachten. So sei der christliche Glaube «nicht vom Abgleiten in religiöse Intoleranz gefeit». Zum «Schutz» vor kirchlichen Extrempositionen empfiehlt der Bischof das Gespräch mit Weltreligionen und säkularen Kulturen: «Und zwar in gegenseitigem Respekt und im Wissen, dass es Werte und Zukunftsziele gibt, für die sich gemeinsame Anstrengungen lohnen.» Ferner sei es für die Kirche wichtig, «immer wieder selbstkritisch auf die eigene Tradition und Praxis schauen und aus eigenen und fremden Erfahrungen zu lernen», so Wanke. Er leitete das Bistum Erfurt bis zu seinem krankheitsbedingten Rücktritt im Oktober 2012.

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Foto Altbischof Wanke © Bistum Erfurt


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