Die Kirchensteuer abschaffen?

22. April 2016 in Deutschland


Pfarrer im WDR: „99 Prozent der Kirchen weltweit leben ohne Kirchensteuer. Warum sollte das bei uns nicht auch möglich sein?“


Köln (kath.net/idea) Sollte die Kirchensteuer abgeschafft werden? Mit dieser Frage beschäftigte sich der Westdeutsche Rundfunk (WDR/Köln) in seiner Sendung „Markt“ am 20. April. Der bayerische lutherische Gemeindepfarrer Jochen Teuffel (Vöhringen bei Ulm) hält die derzeitige Finanzierung der Kirchen für fragwürdig: „99 Prozent der Kirchen weltweit leben ohne Kirchensteuer. Warum sollte das bei uns nicht auch möglich sein?“ Das Evangelium dürfe sich nicht über eine Steuer definieren: „Die Kirche lebt aus Christus.“ Deswegen sollte sie nicht „vorfinanziert“ werden. Die Kirche habe sich durch diese Steuer abhängig gemacht. Dabei sei ein aufwendiger und kostenintensiver Apparat mit vielen Gebäuden und Personal – wie sie heute existieren – nicht nötig. Teuffel plädierte für eine stufenweise Reduzierung. Nach 40 Jahren könnte dann die Abschaffung der Kirchensteuer erreicht sein.

Deutsche Bischofskonferenz: Mit dem Geld wird Gutes für die Gesellschaft getan

Der Pressesprecher der (katholischen) Deutschen Bischofskonferenz, Matthias Kopp (Bonn), widersprach der Auffassung des evangelischen Pfarrers. Es handele sich um ein freiwilliges und sinnvolles Verfahren. Dadurch könne auch außerhalb der Kirche in der Gesellschaft viel Gutes getan werden. Das System sei historisch gewachsen und sowohl für den Staat als auch die Kirche von außerordentlicher Bedeutung.

Kirche sollte auch auf Staatsleistungen verzichten

Wie es in dem WDR-Beitrag hieß, verfügen die beiden Volkskirchen über ein Milliardenvermögen. Beim katholischen Erzbistum Paderborn beispielsweise betrage es vier Milliarden Euro. Trotzdem bekämen die Kirchen zusätzlich zu den Steuern die sogenannten Staatsleistungen. Sie gehen zurück auf den sogenannten Reichsdeputationshauptschluss von 1803. Damals waren als Entschädigung für die Enteignung von Kirchengütern zeitlich unbegrenzte Zahlungen des Staates an die Kirchen vereinbart worden. Das bedeute, so der WDR, dass in fast allen Bundesländern die Bischöfe aus Staatszuschüssen bezahlt werden. Ein katholischer Erzbischof erhalte ein Grundgehalt von 11.000 Euro pro Monat. Insgesamt gebe der Staat jährlich rund 480 Millionen Euro für solche Gehälter aus.

Warum werden kirchliche Schulen bezuschusst?

Zudem müssten sich viele Kommunen an Renovierungskosten von kirchlichen Gebäuden beteiligen oder sie sogar komplett übernehmen. Für den Kölner Dom etwa zahlten das Land Nordrhein-Westfalen und die Stadt Köln jährlich knapp eine Million Euro. Wohlfahrtsverbände wie Diakonie oder Caritas gehörten zum Kerngeschäft der großen Kirchen. Doch ein Großteil der Finanzierung werde nicht von den Kirchen selbst geleistet. Die Caritas habe 2014 145 Millionen Euro als Einnahmen verbucht. Der Bund habe aber mit 55,5 Millionen Euro fast ein Drittel bezahlt. Die kirchlichen Zuschüsse lägen mit zehn Millionen Euro bei 6,9 Prozent. Ferner würden kirchliche Schulen und Wohlfahrtsverbände bezuschusst. Viele Bürger würden es deshalb befürworten, wenn zwischen Staat und Kirche eine klare Trennung gezogen und auf Staatsleistungen verzichtet würde.

Baptisten: Kirche ohne Steuern und Staatsleistungen

Als ein Beispiel, dass Kirche auch ohne Steuern und Staatsleistungen funktioniert, wurde in der Sendung die Evangelisch-Freikirchliche Gemeinde (Baptisten- und Brüdergemeinde) in Hamm genannt. Ihr Pastor Peter Arpad berichtete, dass die Gemeinde als Körperschaft des öffentlichen Rechts zwar Kirchensteuer einziehen könnte, darauf aber verzichte. Das Gemeindeleben funktioniere auch so. Laut WDR-Beitrag sieht es in der baptistischen Gemeinde zwar nicht reich und prächtig aus: „Offen und lebendig allerdings schon.“


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