Prag, Pressburg: Kirchliche Kontroverse zu Flüchtlingen hält an

24. April 2016 in Aktuelles


Reise von Papst Franziskus an den Hotspot Lesbos befeuert Diskussion neu - Erklärung Tschechiens Bischöfe über "organisierte Migration" - Slowakische Zeitung beobachtet "Massenwiderstand der europäischen Katholiken gegen den Papst".


Prag-Pressburg (kath.net/ KAP)
Die europäische Flüchtlingskrise beschäftigt Kirche und Gesellschaft in Tschechien und der Slowakei weiterhin intensiv. Jüngster Anlass für die Diskussion war die Reise von Papst Franziskus an den Hotspot Lesbos. In den Reaktionen zeigen sich einerseits Bewunderung, andererseits innerkatholische Distanz zum Papst sowie Versuche, dieses in Osteuropa immer stärker werdende Phänomen zu erklären. So hat die Tschechische Bischofskonferenz (CBK) bei ihrer diese Woche in Hejnice abgehaltenen Vollversammlung eine "Stellungnahme zur Krise der organisierten Migration" verabschiedet.

Die Erklärung beschränkt sich weitgehend auf Verweise auf Aussagen des Papstes sowie der Kardinäle Antonio Maria Veglio und Jean-Louis Tauran, setzt dabei jedoch differenzierte eigene Akzente. So spiegelt schon die Rede von einer "organisierten Migration" im Titel die Überzeugung des CBK-Vorsitzenden Kardinal Dominik Duka, wonach die Masseneinwanderung nach Europa von islamistischen Kreisen gelenkt sei. Es gehe bei ihr darum, den Nahen Osten von Christen zu säubern und andererseits Europa mit dem Islam zu infiltrieren, hieß es.

Einleitend machen sich die tschechischen Bischöfe die Forderungen der gemeinsamen Erklärung von Papst Franziskus, dem Ökumenischen Patriarchen Bartholomaios und dem Athener Erzbischof Hieronymus zu eigen, die diese auf Lesbos abgegeben haben. Schon am 11. Jänner dieses Jahres habe der "Papst vom Recht der Migranten gesprochen aufgenommen zu werden, aber auch von der Pflicht, die Gesetze und Traditionen der Aufnahmeländer zu respektieren".

Kardinal Veglio, der Präsident des Päpstlichen Migrantenrates, unterstreiche die Auffassung des Papstes, wonach "die Migranten Opfer eines organisierten Verbrechens" seien, so die CBK. Schon seit drei Jahren spreche Franziskus davon, "dass wir uns im Dritten Weltkrieg befinden". Das Interesse der EU an der schnellen Lösung der Migrationskrise verdecke jedoch diese Tatsache.

Die CBK erinnerte des Weiteren an Kardinal Tauran: Der Präsident des Päpstlichen Rates für den interreligiösen Dialog habe geäußert, "dass die Fortschritte im Dialog mit dem Islam minimal" seien und die "elitäre Diskussion zu keiner tatsächlichen Lösung" führe. "Im Rahmen der Bemühung um den Dialog und eine politisch korrekte Ausdrucksweise" werde die Diskussion "unfruchtbar und oberflächlich", und aus Angst vor klaren Worten werde "nur korrekt um die Probleme herumgekreist".

Franziskus selber habe "mehrmals betont, dass es wichtig sei, alle Mittel, einschließlich des Einsatzes militärischer Friedenskräfte in einigen Gebieten, zu gebrauchen, damit der Konflikt nicht weiter konserviert wird". Zugleich könne "der demografische Niedergang der Bevölkerung, der oft von einer Kultur des Egoismus und der Abtreibungen mit verursacht ist, nicht durch eine rasche Inkulturation von Migranten ausgeglichen werden". Auch wenn die "Konfliktlösung an Ort und Stelle keinen hundertprozentigen Effekt" erziele, sei sie freilich "notwendig", so die tschechischen Bischöfe abschließend in ihrer Stellungnahme.

Slowakei: Mut kostet Papst Autorität

In der slowakischen Tageszeitung "Dennik N" hat Martin M. Simecka, früher Chefredakteur der Pressburger Tageszeitung "SME" und derzeit Herausgeber der Prager Wochenzeitung "Respekt", einen pointierten Artikel mit dem Titel "Was geht im Kopf eines Katholiken vor?" veröffentlicht, der ebenfalls an der Reise des Papstes nach Lesbos anknüpft. Als "Heide" sehe er in Franziskus "einen Mann, der sich mutig dem Bösen widersetzt und dafür mit dem Verlust seiner Autorität büßt". Sein Besuch auf der griechischen Insel habe aufgezeigt, "wie tief der Abgrund zwischen dem Papst und den europäischen Katholiken ist, die taub und blind sind gegenüber seinen Worten, Gesten und seiner Symbolik".

Die Mitnahme von zwölf muslimischen Flüchtlingen in den Vatikan sei ein Hinweis auf die zwölf Apostel gewesen, aber auch auf Pius XII., der im Zweiten Weltkrieg Juden im Vatikan versteckte. Franziskus habe seinen Vorgänger immer vor der Kritik verteidigt, zum Schutz der Juden nicht laut genug die Stimme erhoben zu haben. Jetzt habe sich erwiesen, dass er Recht hatte: "Keine Papstworte hätten dem Mord an den Juden Einhalt geboten", während die Kirche in ganz Europa immerhin hunderttausende Juden gerettet habe; ebenso mangle es auch den lauten Worten von Franziskus an einer Folgewirkung.

Die Katholiken dächten sich wohl: "Lieber Papst, scher dich mit deiner Barmherzigkeit zum Teufel!", so Simecka. Der "Massenwiderstand der europäischen Katholiken gegen den Papst" sei eines der Symptome für das Verschwinden moralischer Autorität; mit dem Aufkommen von Internet und Facebook halte sich jeder selber für seine eigene höchste Instanz. Die "Absage an den Papst" könne allerdings eine "Spirale des Hasses in Gang setzen": Dies beginne bei den Flüchtlingen und ende oft mit dem Selbsthass, woraus Kriege entstünden, warnte Simecka.

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