Schönborn zu Syrien: Bischofsentführungen waren tiefer Einschnitt

27. April 2016 in Österreich


Londoner Symposium und Festschrift zu Ehren der vor drei Jahren entführten Metropoliten - Kardinal Schönborn erinnert an von Mar Gregorios entworfene "Road map" für Frieden in Syrien - Entführungsopfer mit Stiftung "Pro Oriente" eng verbunden


London (kath.net/KAP) Als tiefen Einschnitt bei den Versuchen des Erhaltens einer friedlichen Koexistenz aller religiösen und ethnischen Gruppen und der damaligen pluralistischen Struktur der syrischen Gesellschaft haben Kirchenführer aus aller Welt die Entführung der Metropoliten Gregorios Youhanna Ibrahim und Boulos Yazigi vor drei Jahren bezeichnet. Mar Gregorios habe sich im Konflikt für Koexistenz, Versöhnung, Dialog und Bewahrung des Pluralismus eingesetzt, würdigte Kardinal Christoph Schönborn (Foto) in einer Festschrift den seit drei Jahren verschwundenen orthodoxen Bischof. Das Buch mit Beiträgen von 100 Weggefährten des Entführten wurde am Wochenende bei einem Londoner Symposium an der "School of Oriental and African Studies" präsentiert, wie die Stiftung "Pro Oriente" am Dienstag berichtete.

Der syrisch-orthodoxe Metropolit Gregorios Yohanna Ibrahim und der griechisch-orthodoxe Erzbischof Boulos Yazigi waren am 22. April 2013 nahe Aleppo offenbar von islamistischen Milizen entführt worden. Bei dem Überfall wurde der Fahrer der beiden getötet. Bis heute gibt es keine Nachricht über ihren Verbleib.

Noch bei seinem letzten Wien-Besuch im Februar 2013 habe Mar Gregorios die Parteiungen und Gefahren des syrischen Krieges nüchtern analysiert, erinnerte sich Schönborn im Buchbeitrag zurück. "Er zählte die ausländischen Mächte auf, die auf syrischer Erde und mit syrischem Blut ihre Stellvertreterkriege ausfechten. Er nannte sie alle beim Namen, denn er wusste viel; für manche Akteure wusste er vielleicht zu viel." Neben der Emigration habe der Metropolit den radikalen Islamismus, der Fundamentalisten und Extremisten Raum gebe und damit die Entwicklung einer Kultur der Toleranz und Religionsfreiheit behindere, als Hauptproblem der Christen in Nahost identifiziert.

Bereits vorher sei der Metropolit einmal entführt worden, doch seine Kidnapper hätten ihn damals "nach einem Telefonat aus einer bedeutenden arabischen Hauptstadt" zähneknirschend gehen lassen müssen, schilderte der Wiener Erzbischof. Mar Gregorios habe den syrischen Krieg von Anfang an hautnah miterlebt, sei schon im März 2012 nur knapp einer Bombe entkommen, die 300 Meter von der Kathedrale entfernt nach einem Gottesdienst explodiert sei.

Als sich der Krieg zuspitzte, hatte der Metropolit eine "Roadmap" für den Frieden entworfen, schilderte Schönborn. Eckpunkte darin waren u.a. Verhandlungen mit allen Konfliktparteien, eine humanitäre Großaktion, die Souveränität und Einheit Syriens, sichere Rückkehr für Vertriebene oder Geflüchtete sowie eine politische Ordnung mit vollem Respekt von Menschenrechten wie Religions- und Meinungsfreiheit, sowie volle Bürgerrechte und Gleichheit für alle Bewohner des Landes. Seine "gelebte Nächstenliebe" habe allen Menschen ohne Unterschied gegolten.

Wegbereiter für Ost-West-Dialog

Auf die bereits jahrzehntelange Verbidnung zwischen Mar Gregorios Youhanna Ibrahim und der in Wien ansässigen Stiftung "Pro Oriente" wies bei dem Londoner Symposium Stiftungspräsident Johann Marte hin. Seit Ende der 1980er-Jahre habe der syrisch-orthodoxe Metropolit im "Standing Comitee" von "Pro Oriente" wesentlich zum Austausch zwischen der katholischen und der orientalisch-orthodoxen Theologie beigetragen und sei ein Wegbereiter für den Dialog mit der Apostolischen Kirche des Ostens ab 1994 gewesen.

Infolge der Erkenntnis, dass es im Christentum neben der griechischen und der lateinischen auch die syrische Tradition gibt, habe sich laut Martes Schilderung die "Syriac Commission" gegründet, für deren Vorbereitung und Durchführung Mar Gregorios ebenso eine "tragende Rolle" gespielt habe wie beim 2006 daraus entstandenen "Forum Syriacum". Das internationale Expertengremium beschäftigt sich mit Fragen der Geschichte und des geistig-kulturellen Erbes der orientalischen Kirchen, sowie besonders mit ihrer Begegnung mit dem Islam in Vergangenheit und Gegenwart.

Nach den Vorgängen vom 22. April 2013 habe "Pro Oriente" laut Marte alles versucht, um Informationen über die Situation der beiden entführten Aleppiner Metropoliten zu erlangen, zudem habe man zu dem gemeinsamen Appells von Kardinal Christoph Schönborn und mehrerer orientalischer Patriarchen für die sofortige Freilassung der beiden Metropoliten beigetragen. Dennoch ist über das Schicksal der beiden Kirchenführer bis heute nichts bekannt.

Mar Gregorios sei eine herausragende internationale Persönlichkeit, "hoch verehrter geistlicher Vater seiner Gläubigen, ökumenisch ungemein offen, weltgewandt, politisch denkend, Wissenschaftler, auch Manager und ein wunderbarer Mensch", so Martes Würdigung.

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Foto Kardinal Schönborn (c) Erzdiözese Wien


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