Was Geistliche vereinsamen lässt

20. Mai 2016 in Weltkirche


Rottenburger Weihbischof Renz: Gründe sind ständiger Zeitdruck und das Gefühl, erfolglos zu sein – Einsamkeit könne sich ebenso bei den verheirateten evangelischen Pfarrern wie bei den zölibatär lebenden katholischen Priestern breit machen.


Egenhausen (kath.net/idea) Geistliche stehen in der Gefahr, in ihrem Dienst zu vereinsamen. Darauf macht der Weihbischof der Diözese Rottenburg-Stuttgart, Thomas Maria Renz, im Magazin der christlichen Fachklinik de´ignis für Psychiatrie, Psychotherapie und Psychosomatik (Egenhausen/Nordschwarzwald) aufmerksam. Renz zufolge kann sich Einsamkeit bei verheirateten Pfarrern ebenso breit machen wie bei zölibatär lebenden.

Eine zentrale Ursache dafür sieht er in den immer größeren und komplexeren Arbeitsgebieten. Ein Pfarrer, der für fünf, sechs, sieben oder gar acht Gemeinden zuständig sei, werde sich kaum noch die Zeit nehmen können für die Sorgen einzelner Mitglieder. Er werde dann von den Menschen „eher als ein versierter Pastoralmanager wahrgenommen denn als persönlicher Zeuge eines Größeren“.

Pfarrer auf dem Sprung – ständig unterwegs und immer unter Zeitdruck – seien weder für Menschen ansprechbar, die ein seelsorgerliches Anliegen hätten, noch seien sie ein erstrebenswertes Ideal für junge Menschen. Diese flüchtigen Kontakte ließen Seelsorger oftmals vereinsamen. Deshalb müssten alle Personalplanungen immer wieder hinterfragt werden, ob sie auch den Menschen dienten: Andernfalls versündigten sich die Kirchenleitungen an den Seelsorgerinnen und Seelsorgern.

Nie war der Aufwand der Kirche so groß und der messbare Erfolg so klein

Als weitere Ursache für Einsamkeit im Pfarrdienst nennt der Weihbischof das dauerhafte Gefühl von Erfolglosigkeit. Renz: „Höchstwahrscheinlich hat es in der rund 2.000-jährigen Geschichte der Christenheit noch nie eine Epoche gegeben, in der ein so hoher Aufwand für Glaubensverkündigung, Katechese und Seelsorge betrieben worden ist wie heute, bei gleichzeitig so wenig gefühltem wie messbarem Erfolg.“ Die Verantwortlichen mühten sich ab und fühlten sich „nicht besser als ein Hamster im Rad, der sich abstrampelt wie ein Weltmeister, aber keinen Millimeter vorankommt“.

Zur Vereinsamung kann laut Renz auch führen, dass sich Pfarrer nicht gerne in die Karten schauen lassen, um sich keine Blöße zu geben. Gerade das Eingeständnis der eigenen Grenzen, Schwächen und Enttäuschungen hätten aber, so Renz, etwas sehr Befreiendes und Verbindendes, wenn es Christen miteinander teilen würden. Dazu wäre aber eine Grundhaltung der Demut, Offenheit und Ehrlichkeit vonnöten.

Was Isolation verhindern kann – In der Spur Jesu bleiben

Renz gibt ferner Tipps, wie man der Einsamkeitsfalle entgehen kann. Dazu empfiehlt er eine „kräftige Portion Demut und Gottvertrauen“ sowie eine Gruppe von Mitbrüdern und -schwestern, „die sich als geistliche Weggemeinschaft findet, stärkt, begleitet, ermutigt und segnet“.

Außerdem solle man sich eine regelmäßige Auszeit für die Zwiesprache mit Gott nehmen – möglichst eine Stunde pro Tag, einen Tag pro Monat und eine Woche pro Jahr. Das könne helfen, in der Spur der Nachfolge Jesu zu bleiben, sich erfolgsunabhängiger zu machen, und zu erkennen, dass er immer erst am Anfang seiner unbegrenzten Möglichkeiten sei, „wenn ich bereits am Ende meiner begrenzten Möglichkeiten angekommen bin“.

Foto Weihbischof Renz © kath.net/Petra Lorleberg


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