Rotverschiebung im gesellschaftlichen und kirchlichen Spektrum

6. Juni 2016 in Kommentar


Vom roten Linkspopulismus der Medien zum blauen Rechtspopulismus auf der Straße. Von der Herrin des Hauses zur Aschenputtel der Industriegesellschaft. Wo bleibt die Kirche, das signum levatum, als Orientierungshilfe? Eine Analyse von Helmut Müller.


Vallendar (kath.net) In der Astrophysik zeigt die Stärke der Rotverschiebung im Spektrum des Lichts eines Objekts sein Alter und seine Entfernung. In der gesellschaftlichen und kirchlichen Wirklichkeit der Bundesrepublik zeigt die Rotverschiebung offenbar die Entfernung politischen und kirchlichen Handelns von sachorientierten Erfordernissen. Aber ist es nicht eher eine Verschiebung ins Blaue, der Farbe der AFD? Mittlerweile ist sie nach Umfrageergebnissen ja zur drittstärksten Partei geworden. Sogar die tiefrote Linke zeigt Abwanderungen ins Blaue der AFD. Also eine klassische Fehldiagnose eines Rechtspopulisten, der ich dann wäre?

Seit Jahren ist m. E. schon eine schleichende Rotverschiebung in Gang, die sogar seit 1998 mit dem Regierungsantritt Schröders galoppiert. Das ist am augenscheinlichsten an der CDU festzustellen. Ihre klassischen Bastionen wurden von der Merkeladministration regelrecht geschleift. Das hat Köpfe gekostet, um nur wenige zu nennen: Friedrich Merz, Roland Koch und Werner Münch, der die CDU sogar verlassen hat. Um den unverwüstlichen Wolfgang Bosbach wird es einsam. Klassische CDU Positionen wurden hastig und quasi über Nacht – die Position zur Kernenergie - aufgegeben. Ähnlich geräuschlos verlief die Abschaffung der Wehrpflicht und am schmerzlichsten ist die Preisgabe einer christlichen Familienpolitik. Eine siebenfache Mutter, die eigentlich wissen müsste, was Kindern gut tut, agierte als trojanisches Pferd in der einstigen Familienpartei CDU und förderte wie kein anderer in der Republik die Verstaatlichung der Kindheit und machte Mütter vielfach zur Aschenputtel der Industriegesellschaft. Nur für gutverdienende Frauen war das eingeführte Elterngeld vorüber gehend attraktiv.

Das machte einen Mann wie Norbert Blüm fassungslos, vor allem, dass Arbeitnehmervertreter mitmachten, von Arbeitgebern war ja nichts anderes zu erwarten. Das Land, das in einer Weltmeisterschaft ums Nichtkinderkriegen einen hohen Medaillenrang einnehmen würde, wurde mit Kitas zu gepflastert.

Das Memorandum der psychoanalytischen Gesellschaft von 2008 wurde völlig ignoriert: Wer Kitas über den Bedarf hinaus sät, wird spätestens in der Pubertät prügelnde Jungens und autoagressive Mädchen zuhauf ernten. Der Wind bloß betreuter Kleinkinder in der Kita – erziehen ist wesentlich mehr - wird später zum Sturm in der Ganztagsschule.

Das zeigen schon jetzt OECD Statistiken, 2013 vorgelegt von einem schwedischen Greenpeace Aktivisten für Schweden bei einer Tagung an der Frankfurter Goethe Universität zum Thema „Was kommt, wenn Familie geht“.

Ganz zu schweigen von der Flüchtlingskrise: Individualethische Selbstverständlichkeiten – Menschen in Not zu helfen – werden zu sozialethischen Dogmen – die die gute Gesinnung ohne jedes Augenmaß zur gesellschaftlichen Pflicht erklären. Wer nicht gerade der Dalai Lama ist und sich wie dieser über die Flüchtlingspolitik in Deutschland wundert, wird sehr schnell als Rechtspopulist abgestempelt. Vermutlich haben auch kirchliche Vertreter aller Verantwortungsstufen und jeden Bekenntnisses davor Angst im Dunstkreis des Rechtspopulismus verortet zu werden und können zwischen Gesinnungs- und Verantwortungsethik nicht mehr unterscheiden.

Was seit Jahrzehnten verpönt war, Wahlempfehlungen zu geben, ist jetzt wieder in eine Richtung offensichtlich sogar geboten. Übrigens, ich selbst habe nicht einmal etwas gegen Wahlempfehlungen, wenn sie denn differenziert in beide Richtungen gegeben werden, denn die Familienpolitik der regierenden Parteien schreit zum Himmel, wenn das Schlimmste, was man tun kann, das Wohl der Mütter gegen das der Kinder ausgespielt wird. Allen Ernstes wird vielfach angenommen, Väter und Mütter seien im Hinblick auf das Wohl der Kinder austauschbar. Gender lässt grüßen.

Ich spreche hier nicht wie ein Blinder über Farben. Als Vater von fünf Kindern, beiderlei Geschlechts - eines ist leider verstorben - beteilige ich mich an der Erziehung. Das wird nicht immer und von jedem Kind geschätzt. Dadurch lasse ich mich nicht beirren. Leider ist die Anzahl der Kinder, die man hat, kein durchschlagendes Argument mehr in dieser Republik, seit auch sieben Kinder über deren Wohl nichts Besseres belehren.

Soviel zu der Entfernung durch Rotverschiebung von sachorientierter Familienpolitik. Aber die physikalische Rotverschiebung macht ja nicht nur Aussagen über die Entfernung, sondern auch über das Alter des Objekts. Vielleicht stimmen folgende Zeilen nachdenklich, wenn man weiß, wie alt sie sind: „Familie ist der ausgemachte Feind des Sozialismus: Unsere jetzige Aufgabe ist die Zerstörung der Familie und die Ablösung der Frau von der Erziehung ihrer Kinder. Wenn wir in unseren Gemeinschaftshäusern gut vorbereitete Abteilungen für Kinder organisiert haben, ergibt es sich zweifellos, dass die Eltern ihre Kinder von allein dorthin senden werden, wo sie durch medizinisch und pädagogisch qualifiziertes Personal überwacht sind. Dadurch werden zweifellos Ausdrücke wie meine Eltern oder unsere Kinder immer weniger gebraucht werden und durch Begriffe wie die Alten, die Kinder, die Säuglinge ersetzt werden.” Diese Sätze stammen von dem sozialistisch- kommunistischen Kommissar für Erziehung in der ehemaligen Sowjetunion, Anatoli Lunatscharski (1875-1933.) Ich will nicht den Teufel an die Wand malen, wenn aber der ehemalige Generalsekretär Olaf Scholz, jetziger Bürgermeister von Hamburg und Klageführer gegen das Betreuungsgeld vor dem Bundesverfassungsgericht, vermutlich unbedacht, aber verräterisch, gesagt hat: „Wir müssen die Lufthoheit über den Kinderbetten gewinnen“, dann macht das schon nachdenklich.

Haben wir also nicht doch eine Rotverschiebung in unserer Republik zu vermelden? Und kommen viele Nicht-Rote vielleicht wie beim Militär in Tarnfarben (etwa Grün) daher und ist nicht alles Schwarze gar nicht so schwarz und nicht alles Gelbe so gelb, wie es die Weste des unvergessenen Hans Dietrich Genscher einmal war? Ist nicht die Wende ins Blaue der AFD und vielleicht sogar ins Braune so zu erklären, dass es einen unerkannten Linkspopulismus in Politik und Medien seit Jahren gibt und der jetzt immer mehr kenntlich wird, weil irgendwann die Farbe nicht mehr an den Fakten, Tatsachen und Ereignissen hält, mit der man sie angestrichen hat? Das ist mittlerweile geschehen und es gibt einen Rechtspopulismus auf den Straßen und schon in Landtagsparlamenten, der erst vom Linkspopulismus in den Medien und der Tagespolitik als Reaktion erzeugt wurde. Und urplötzlich wird man zum Wanderer zwischen den Welten, der keine politische Heimat mehr hat und immer mehr auch ein Fremder in seiner Kirche wird. Wie soll man sich denn noch zu Hause fühlen, wenn die Kirche, das ZdK, mit Leuten Hallen füllen will, deren Positionen man ja schon aus der abendlichen Talkshow kennt? Was ist eigentlich vom „signum levatum in nationes“, vom hocherhobenen Zeichen unter den Völkern, das schon Israel sein sollte, jetzt die Kirche von Rom, geworden? Gehe ich im Links- oder Rechtspopulismus, in ihrer Kriminalgeschichte auf, gehöre ich zu den Lauen, die ausgespien werden oder stehe ich für dieses hocherhobene Zeichen?

kath.net-Lesetipp:
Unterirdische Ansichten eines Oberteufels über die Kirche in der Welt von heute
Von Helmut Müller
80 Seiten
2015 Dominus Verlag
ISBN 978-3-940879-38-7
Preis 5.10 EUR

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