Moraltheologe: Schweiz driftet mit PID-Entscheid Richtung Eugenik

7. Juni 2016 in Schweiz


Bioethiker der Bischofskonferenz, Collaud: Vorstellbar, dass nun nach dem Volksentscheid zahlreiche weitere Krankheiten ins Visier genommen und potenziell betroffene Embryonen eliminiert werden


Bern (kath.net/KAP) Als ein "gefährliches Driften in Richtung Eugenik" hat der Fribourger Arzt und Moraltheologe Thierry Collaud das Schweizer "Ja" zur Präimplantationsdiagnostik (PID) beschrieben. Dass durch die am Sonntag vom Volk angenommene Abstimmungsvorlage Down-Syndrom nachgewiesen werden dürfe, habe "eine weitere Tür aufgestoßen". Vorstellbar sei, dass künftig "zahlreiche weitere Krankheiten ins Visier genommen werden und die Embryonen, die diese Krankheiten bekommen könnten, eliminiert werden", warnte der Präsident der bischöflichen Bioethik-Kommission am Montag im Interview mit der Schweizer katholischen Nachrichtenagentur KATH.CH.

Betonten Befürworter des Gesetzes auch, der PID würden "enge Grenzen" gesetzt, so zeigte sich Collaud dennoch pessimistisch: Bestehende Schranken würden wegen enormen Drucks immer mehr aufgeweicht und Indikationen für die Anwendung ausgeweitet werden. Ähnlich sei auch die nun angenommene Gesetzesvorlage weit über den Bundesratsbeschluss hinausgegangen, der das Referendum geführt hatte. Als Ergebnis könnten in der Schweiz bereits jetzt nicht nur Paare mit einer Erbkrankheit eine Selektion ihrer Embryonen vornehmen lassen, sondern alle unfruchtbaren Paare, die In-vitro-Fertilisation in Anspruch nehmen.

Die katholische Kirche in der Schweiz habe laut Einschätzung des Bioethikers im Vorfeld durchaus "genug getan", wenngleich das Ergebnis für sie eine Niederlage sei. Ihr Einsatz für das Thema werde weitergehen, da ihr Ansinnen weit über die Abstimmung hinausgehe: "Es geht ihr darum, dass Behinderte in der Gesellschaft willkommen sind, dass wir fähig sind, auch mit Kindern zu leben, die nicht so vollkommen sind, wie wir uns dies wünschen", so Collaud. Vor allem werde die Kirche weiter informieren und auf das Gewissen der Menschen einwirken, denn: "Wenn ein Gesetz etwas erlaubt, bedeutet dies noch nicht, dass man das, was erlaubt ist, auch macht."

Die Schweizer Stimmberechtigten haben am Sonntag mit 62,4 Prozent ein revidiertes Fortpflanzungsmedizingesetz angenommen. Künftig dürfen Paare mit einer schweren Erbkrankheit und Paare, die auf natürlichem Weg keine Kinder bekommen können, PID-Gentests an künstlich befruchteten Embryonen durchführen lassen. Das neue Gesetz legt die Bedingungen dafür fest. Im vergangenen Jahr hatten sich die Stimmbürger bereits grundsätzlich für die PID-Zulassung ausgesprochen. Gegen die Änderung des Fortpflanzungsmedizingesetzes wurde in der Folge das Referendum ergriffen.

Das überparteiliche Komitee, das die Volksabstimmung lanciert hatte, bedauert die Annahme des Gesetzes. Ähnlich wie zuvor bereits die Schweizer Bischofskonferenz beurteilte auch der Schweizerische Evangelische Kirchenbund das Abstimmungsergebnis kritisch. Zwar könnten sich Paare nun Gewissheit verschaffen, ob sie ihre genetischen Dispositionen zu schweren Krankheiten und Behinderungen an ihre Kinder übertragen, doch sei nun auch die Tür zu "ganz anderen Interessen und zukünftigen Anwendungen der genetischen Diagnostik" geöffnet worden, warnte der Kirchenbund gegenüber KATH.CH. Künftig wolle man verstärkt das Menschenbild hinter den Biotechnologien hinterfragen, das mitunter zur "Durchsetzung eines standardisierten Menschenbildes" diene.

PID -Präimplantationsdiagnostik


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