Ägypten: 'Das Eis ist gebrochen'

7. Juni 2016 in Weltkirche


Christen nach Treffen von Papst und Großimam hoffnungsvoll


Kairo (kath.net/KIN) „Es war das erste Mal, dass der Großimam der al-Azhar-Universität den Papst besucht hat. Es war offensichtlich eine sehr herzliche Begegnung. Wir glauben, dass damit das Eis gebrochen ist.“ So beurteilt der Medienverantwortliche der katholischen Kirche in Ägypten, Pater Rafik Greiche (Foto), das Zusammentreffen zwischen Papst Franziskus und Großscheich Ahmed al-Tayebb. Er ist das geistliche Oberhaupt von al-Azhar, einer der weltweit bedeutendsten islamischen Gebets-, Lehr- und Ausbildungsstätten mit Sitz in Kairo. Zahlreiche Geistliche des sunnitischen Islam werden dort ausgebildet.

Die Begegnung zwischen Papst und Großimam hatte am 23. Mai im Vatikan stattgefunden. Laut Greiche sind damit noch weitere Hoffnungen verbunden: „Die Wiederaufnahme des Dialogs zwischen dem Vatikan und der al-Azhar-Universität ist zwar noch nicht offiziell verkündet, aber das ist nur eine Formsache.“ Die Gespräche waren im Jahr 2011 von der Universität aufgekündigt worden. Als Grund wurde eine Äußerung von Papst Benedikt XVI. genannt. Dieser hatte nach dem Anschlag auf eine koptische Kirche mit mehreren Toten einen stärkeren Schutz der Religionsfreiheit in Ägypten angemahnt. Dies war von muslimischer Seite als unangemessene Einmischung gewertet worden.

Pater Rafik berichtete, dass die Begegnung in der ägyptischen Öffentlichkeit überwiegend positiv aufgenommen worden sei. „Das Treffen war Hauptthema sowohl im Fernsehen als auch in den Zeitungen.“ Das Treffen habe nicht nur eine interreligiöse Bedeutung, sondern auch eine ökumenische: „Das Oberhaupt der koptisch-orthodoxen Kirche Ägyptens hat den Großimam mehrmals ermutigt, den Dialog mit dem Vatikan wiederaufzunehmen.“ Denn von einer Wiederaufnahme der Beziehungen erhofften sich alle Christen neue Fortschritte in Sachen Religionsfreiheit.

„Es gibt natürlich noch viel zu tun, aber wir machen Fortschritte“, sagte Greiche. Seit im Jahr 2013 die Regierung von Mohammed Mursi gestürzt worden sei, habe sich die Lage für die ägyptischen Christen verbessert. Mursi hatte den radikalen Muslimbrüdern nahe gestanden. „Wir Christen haben heute sehr gute Beziehungen zu den muslimischen Führern und den staatlichen Stellen. Mein Eindruck ist, dass es ein wachsendes Bewusstsein unter den Muslimen für unsere Lage gibt“, so Greiche.

Es gäbe in letzter Zeit auch einige Signale der al-Azhar-Universität in dieser Richtung: „Unter der Führung von al-Tayebb bemühen sie sich um eine Reform der ägyptischen Schulbücher und des Lehrmaterials an den Universitäten.“ Darin werde auf Christen und deren Lebenswirklichkeit stärker Rücksicht genommen. Zur vollen Gleichberechtigung von Christen und Muslimen sei es allerdings noch ein weiter Weg.

Größtes Problem sei nach wie vor die Errichtung von Kirchen. Diese ist nur mit großen Einschränkungen möglich. Doch auch hier gebe es neue Entwicklungen. Der amtierende Präsident as-Sisi hatte die christlichen Kirchen um ihre Einschätzung gebeten. Sieben von ihnen hätten daraufhin einen Gesetzentwurf vorgelegt, der den Kirchenbau neu regle. Man hoffe nun auf eine Abstimmung des Parlaments im Herbst. Auch hier zeichne sich ein Umdenken ab, sagte Pater Rafik: „Wir haben so viele christliche Abgeordnete wie noch nie im Parlament. Auch viele Muslime sind an unserer Seite. Sicher, die salafistischen Abgeordneten werden sich widersetzen, aber das sind nicht viele. Also bin ich zuversichtlich.

„Kirche in Not“ unterstützt die christliche Minderheit Ägyptens seit vielen Jahren. Neben dem Bau und dem Unterhalt von Kirchen fördert das Hilfswerk auch Jugendprojekte und setzt sich für benachteiligte Frauen ein.

Um weiter helfen zu können, bittet „Kirche in Not“ um Spenden:

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Foto Pater Rafik Greiche © Kirche in Not


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