'Wieder einmal werden Evangelikale geschmäht'

17. Juni 2016 in Deutschland


proChrist-Chef fordert Solidarität der Amtskirche – EKD: Keine Stellungnahme


München/Berlin/Marburg (kath.net/idea) Für anhaltende Proteste sorgen Kommentare in Medien, die unterstellen, dass die Bluttat von Orlando auch ein Evangelikaler hätte verüben können. Ein US-Bürger mit afghanischen Wurzeln – der 29-jährige Omar Mir Seddique Mateen – hatte am 12. Juni in einem bei Homosexuellen beliebten Club 49 Personen erschossen, bevor er selbst von der Polizei getötet wurde. Der Täter bekannte sich zur Terrororganisation „Islamischer Staat“ (IS). Der Berlin-Korrespondent der Süddeutschen Zeitung (Auflage rund 380.000), Thorsten Denkler, schrieb dazu in einem Kommentar: „Für diese Tat hätte er genauso gut auch ein evangelikaler Christ gewesen sein können.“ Der Leiter der Meinungsseite beim Berliner „Tagesspiegel“ (Auflage rund 110.000), Malte Lehming, formulierte fast gleichlautend – allerdings mit einer rhetorischen Frage: „Und hätte der Attentäter von Orlando nicht ebenso gut ein homophober Evangelikaler sein können?“.

Immer mehr äußern ihre Empörung

Immer mehr Repräsentanten aus der evangelikalen Bewegung, Freikirchen, Politik und Medien äußern ihre Empörung über die „journalistischen Entgleisungen“. Der Vorsitzende der größten protestantischen evangelistischen Initiative „proChrist“, Roland Werner (Marburg), nannte die Kommentare „böswillig“. Er erwarte „eine amtskirchliche Solidarisierung mit den wieder einmal geschmähten evangelikalen Christen“, schrieb er auf seiner Facebookseite. Eine solche Unterstützung bleibt jedoch von der EKD bisher aus. Sie nehme zu einzelnen Medienveröffentlichungen in der Regel nicht Stellung. „Davon würden wir auch in diesem Fall nicht abweichen“, antwortete ein Sprecher in Hannover auf eine Nachfrage der Evangelischen Nachrichtenagentur idea. Zuvor hatte der Vorsitzende des Dachverbandes der etwa 1,3 Millionen evangelikalen Christen, der Deutschen Evangelischen Allianz, Präses Michael Diener (Kassel), die Darstellung in der Süddeutschen Zeitung gegenüber idea als „völlig inakzeptabel“ bezeichnet. Er fragt: „Wo haben evangelikal geprägte Christen Gewalt gegenüber Andersdenkenden oder Minderheiten in einer Weise ausgeübt, welche diesen Vergleich rechtfertigen würde?“ Wer derart „einfach mal Äpfel mit Birnen vergleicht“, handele verantwortungslos.

Süddeutsche lehnt Richtigstellung ab: „Die Aussage ist nicht zu beanstanden“

Der Allianzvorsitzende – auch Mitglied der Leitung der EKD, des Rates – forderte eine Richtigstellung der Süddeutschen Zeitung. Sie sieht dafür jedoch keinen Anlass, teilte die stellvertretende Chefredakteurin Julia Bönisch (München) auf idea-Anfrage mit. Bei dem beanstandeten Artikel handele es sich um einen Meinungsbeitrag, der als Kommentar gekennzeichnet sei. Die Meinungsäußerung genieße grundgesetzlichen Schutz und überschreite „hier keinesfalls die Grenze zur Schmähkritik“. Daher sei die Aussage nicht zu beanstanden.

KEP-Vorstandsmitglied: Süddeutsche betreibt Hetze gegen Christen

Das sehen die Kritiker anders. Ein Vorstandsmitglied des Christlichen Medienverbundes KEP, der beim Mitteldeutschen Rundfunk tätige Journalist Michael Voß (Halle/Saale), schreibt auf seiner Internetseite, die Süddeutsche Zeitung mache vor, wie man nach dem schrecklichen Anschlag von Orlando „Hetze auf eine Bevölkerungsgruppe entwickeln kann“. Die Bluttat werde ausgenutzt, „um billige Propaganda gegen Menschen zu machen, die an Jesus Christus glauben“. Es stimme, dass „die Bibel eindeutig gegen ein schwules Zusammenleben“ sei, aber Jesus Christus habe vorgemacht, wie man mit Andersdenkenden umgehe: „Er überzeugte mit Worten, nicht mit Waffen und schon gar nicht mit dem Töten.“ Empört über die Diffamierung Evangelikaler äußerten sich unter anderen auch der Präsident der Vereinigung Evangelischer Freikirchen (VEF), Ansgar Hörsting (Witten), die frühere thüringische Ministerpräsidentin Christine Lieberknecht und die Bundestagsabgeordnete Erika Steinbach (beide CDU).


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