'Du kannst sein wer Du sein willst...'

23. Juni 2016 in Kommentar


An diesem Satz ist Wahres, aber noch mehr Falsches. Gastkommentar von Johannes Hartl


Augsburg (kath.net/Blog Dr. Johannes Hartl) "Du kannst sein wer Du sein willst...". Daran ist natürlich etwas Wahres: unsere Entscheidungen haben Rückwirkungen auf uns selbst, wir sind nicht Opfer unserer Umstände, sondern Gestalter!

Doch an dem Satz ist noch mehr Falsches. Demütigende Wahrheit für den überheblichen menschlichen Geist: unser Sein ist uns eben vorgegeben, wir machen es nicht selbst. Wer 80 ist und sich dennoch wie 20 fühlt und kleidet, dem sei das gerne erlaubt. An seinem tatsächlichen Alter ändert das aber nichts. Auch wenn es Ausnahmen gäbe, z.B. Menschen, bei denen man das genaue Alter nicht mehr feststellen kann, weil man ihr Geburtsdatum nicht weiß oder sie Jahre ihres Lebens im All verbracht haben.

Die Regel gilt: das "gefühlte Alter" verändert nicht das tatsächliche biologische Alter. Es ist auch nicht diskriminierend einem Junggebliebenen gegenüber, ihn an das Alter zu erinnern, das im Pass steht.

Genau das Gleiche gilt auch für das Geschlecht des Menschen. Doch diese simple biologische Tatsache mutet uns heute vielleicht deshalb so brachial an, weil sie sich anfühlt, als würden Menschen dadurch entmündigt und in das Opferdasein zurück verfrachtet. "Total egal wie Du fühlst, für Dich gilt ein eisernes, gnadenloses Gesetz!" Das kann nicht das Ziel sein, denn es ist ja wirklich etwas Wahres in dem Satz. Und die Träume, Gefühle und Sehnsüchte eines Menschen verdienen immer Empathie und Ernstnehmen!

Die Vorbedingung jedoch dafür, wirklich zu dem zu werden, was man werden kann, ist zunächst anzunehmen, was man tatsächlich ist. Das ist nicht so einfach! Annehmen, dass ich in eben diese Familie geboren bin und das nicht ändern kann. In eben diese Nation mit eben dieser Sprache. In eben diesen Leib mit all seinen Begrenzungen. Eben dieses Geschlecht, eben dieses Alter, eben dieses Aussehen... Und ich eben NICHT alles sein kann, was ich gerne wäre.

Diese Erkenntnis führt entweder zur Rebellion gegen der, der zuließ, dass es mir so erging. Oder sie führt zu einem Friedensschluss mit der Realität.

Ich glaube, dass wahres Glück nur möglich ist durch Versöhnung mit der eigenen Geschichte, dem eigenen Körper, der eigenen Herkunft. Inklusive Schmerz und Trauer darüber.

Doch eine Versöhnung, die sich langsam durchringt zum Blick auf den, dem ich mein Sein verdanke. Der schon wusste was er tat.

In diesem Vertrauen erwächst eine neue Freiheit. Nicht die Freiheit alles und irgendwas zu sein. Sondern die Freiheit, ja zu sagen zu dem, wer ich bin. Ja zu dem, was mein Auftrag, was SEIN Ruf an mich ist (und nicht nur mein Wunschtraum). Das ist die eigentliche Befreiung. Die grundsätzliche Heilung.

Das Geschöpf wird einfach nur heil, wenn die Beziehung zum Schöpfer stimmt. Wenn die nicht da ist, kann der moderne Mensch gar nicht anders, als auszuschlagen gegen das, als was er gemacht wurde.

Dr. Johannes Hartl (Foto) ist katholischer Theologe und leitet das Gebetshaus Augsburg. Er ist verheiratet und Familienvater.

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Gott ungezähmt
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Foto oben (c) Gebetshaus Augsburg


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