Reformer ausgebremst - Orthodoxie fastet streng und unbeirrt weiter

27. Juni 2016 in Weltkirche


Während in der westlichen Christenheit das Fasten zur Randerscheinung geworden ist und stattdessen die Muslime mit ihrem Fasten im Ramadan Aufmerksamkeit erregen, bleibt das Fasten in der Orthodoxie ein großes Thema. Von Heinz Gstrein (KNA)


Kolymvari (kath.net/KNA) Aus heutiger kirchlich-abendländisch Sicht mag das Fasten zu nebensächlich erscheinen, um ihm ein eigenes Konzilsdokument zu widmen. Ganz anders im christlichen Osten und Orient, wo fast die Hälfte des Kirchenjahres in der einen oder anderen Form gefastet wird. Dazu kommt eine dreitägige Abstinenz vor dem Empfang der Eucharistie, die mit einem Tag ohne tierische Produkte, dem zweiten auch ohne Pflanzenfette fast bei Wasser und Brot beginnt, worauf vor dem Kommunizieren ab Mitternacht totale Enthaltsamkeit vorgeschrieben ist.

Im Zweifelsfall halten die Gläubigen das Fasten für wichtiger als dasBeichten, obwohl in der jüngsten Zeit die Ohrenbeichte in der Orthodoxie wieder anstelle der üblich gewordenen Generalabsolutionen aufgewertet wird. Darunter leidet natürlich ein regelmäßiger, häufigerer Kommunionempfang. Nur auf dem Heiligen Berg Athos und in anderen strengen Klöstern konnte ab dem 18. Jahrhundert die Bewegung für eine «ständige», das heißt tägliche Teilnahme an der Eucharistie aufkommen, da dort so gut wie immer gefastet wird.

Das Konzil sollte darin - so jedenfalls zurückliegende Planungen - Erleichterungen bringen, wie sie ohnedies von Bischöfen und auch Beichtvätern schon längst gewährt werden. Wenn es dazu auf Kreta so gut wie überhaupt nicht gekommen ist - nicht einmal bei der eucharistischen Abstinenz -, hängt das mit der wichtigen spirituellen Bedeutung des Fastens zur Ausgrenzung gnostischer und überspannt esoterischer Strömungen in der Orthodoxie vom 5. bis 15. Jahrhundert zusammen.

Für die frühen Ostchristen spielte das Fasten noch keine so zentrale Rolle. Die erhielt es erst bei der Abwehr des Manichäismus und verwandter Bewegungen, die eine Selbsterlösung durch ständige Enthaltsamkeit von allen «fleischlichen» Speisen, Getränken und überhaupt Genüssen versprachen. Von Ägypten bis Kleinasien wurden diese Tendenzen kirchenkonform ins Mönchtum integriert. Grundsätzliche Zurückweisung erfährt dort seitdem die Sexualität, bei Speis und Trank nahm man die Zeit als Instrument der Heiligung, aber auch zur Zurückweisung der Gnosis zu Hilfe. Lebenslanges Fleischverbot wurde nur mehr den Bischöfen und den besonders strikten Mönchen am Athos auferlegt. Sonst entstand ein vielseitiges Fastensystem nach dem Grundsatz, dieselben Speisen und Getränke an bestimmten Tagen als Gottesgabe dankbar zu genießen, sie hingegen an anderen durch Verzicht Gott als Dankopfer darzubringen.

Nach dem Sieg der Mönchspartei im byzantinischen Bilderkampf mit dem Zweiten Konzil von Nizäa 787 wurde diese Fastenpraxis ebenso wie die monastischen Andachtsformen auch in den Kirchengemeinden eingeführt und für alle verpflichtend. Seitdem hat auch am Fasten niemand zu rütteln gewagt, nicht einmal die kommunistenfreundlichen «Kirchenerneuerer» in der frühen Sowjetunion. Eine Fülle von Fastenkochbüchern unterrichtet verzweifelnde Hausfrauen darin, was sie an jedem Tag kochen dürfen, wie auch ohne Fleisch und Öl schmackhafte Gerichte auf den Familientisch zu zaubern sind.

Patriarch Bartholomaios I. schien es vor allem an Erleichterungen bei der eucharistischen Abstinenz gelegen zu sein. Dennoch kam es weder dort noch beim allgemeinen Fasten zu den erhofften Liberalisierungen. Nur die personale und diözesane Dispenspraxis wurde vom Konzil kirchenamtlich abgesegnet, was immerhin schon ein Fortschritt ist. Sonst dient das ganze Konzilsdokument mehr einer Rechtfertigung als einer Modernisierung des Fastens.

So wurde dieses Dekret zum Prüfstein für die Bereitschaft der orthodoxen Kirche, Altüberliefertes, zum Teil Überholtes und Erstarrtes mit neuem, lebendigen Geist zu erfüllen oder es sogar als historischen Ballast ganz aufzugeben. Dieser erste Versuch ist noch enttäuschend ausgefallen. Wie der griechische Konzilsvater Germanos Paraskevopoulos von Elis auf der Peloponnes in seiner Ansprache sagte: «Wir haben alles richtig bewahrt. Wir dürfen es nicht aufgeben. Lieber bleiben wir allein unter uns. Die Orthodoxie braucht keine Reform und keine Ökumene.»

Euronews - Panorthodoxes Konzil auf Kreta


SRF: Krise statt Aufbruch: Konzil der Orthodoxen - Interview mit einem griechisch-orthodoxen Theologen (Sternstunde Religion 19.06.2016)


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