Friends will stay friends!

1. Juli 2016 in Kommentar


Und genau deshalb werde ich auch morgen wieder auf den Schulhof gehen und nett zu „solchen Leuten“ sein. Ein Beitrag der 17-jährigen Schülerin Katharina im Rahmen des Sommer-Schreibwettbewerbs von kath.net


Würzburg (kath.net)
Ich bin genervt. Und zwar so richtig. Das hat Gründe, wenn es mal vorkommt. Der Grund hat diesmal sogar einen Namen, ist zwanzig Jahre alt, gläubig und eine gute Freundin von mir.

Wir hatten uns über Beziehungen unterhalten - und darüber, dass nicht alle Menschen dieser Welt unsere Ansichten zu diesem Thema teilen. Ich erzählte ihr von einem Satz, den ich schon mehrmals auf dem Schulhof von Freunden gehört habe: „Ich heirate erst, wenn ich das Geld für die Scheidung habe!“

Natürlich gefällt mir diese Aussage nicht. Die Antwort meiner Freundin gefällt mir allerdings auch nicht: „Mit was für Leuten hängst du ab?“ Schnell wird klar, dass sie es nicht gut findet, mit „solchen Leuten“ abzuhängen und sie sogar als Freunde zu bezeichnen.

Die erste Frage, die mir spontan durch den Kopf schießt, ist: „Soll ich mir jetzt andere Freunde suchen?“ Nur – woher nehmen und nicht stehlen? Ein Berufsschulzentrum – wir haben Berufsschulen, Berufsfachschulen, berufliche Gymnasien… Unser Schulhof ist voller Freaks. Christen? Fehlanzeige.

Die zweite Frage, die sich mir stellt: „Warum sollte ich überhaupt anfangen, zu suchen?“ Sicher, meine Freunde sind jeder auf seine Weise ziemlich abgedreht und die meisten von ihnen sind keine Christen. Viele rauchen, sind so gut wie jedes Wochenende blau und haben jetzt schon mehr sexuelle Erfahrung, als ich in meinem ganzen Leben wohl je machen werde. Aber sie sind alle nett, hilfsbereit und freundlich – und nehmen jeden, wie er ist.

Auch mich, mit meinen erzkatholischen Ansichten, meinem schrägen Humor und den T-Shirts mit den christlichen Sprüchen. Mir ist klar, dass ich aufpassen muss, dass ihre Meinungen nicht zu meiner werden und dass ich aufpassen muss, die Dinge nicht zu locker zu nehmen. Das hindert mich aber nicht daran, mit ihnen Spaß zu haben und zu ihnen nett zu sein.

Eine weitere Frage kommt mir in den Kopf: „MUSS ich als gläubiger Mensch nicht sogar auf „solche Leute“ offen zugehen und mich mit ihnen anfreunden? Was würde Jesus denn tun?“ Ein interessantes Gedankenexperiment.

Würde Jesus auf meine Schule gehen, zu wem würde er in den Pausen gehen? Vielleicht zu der überzeugten Anti-Nazi-Punkerin, mit der ich befreundet bin? Sie hat einen Iro, ein Ohr voller Piercings, durchgestrichene Hakenkreuze auf ihren Kopfhörern und würde eine Kirche niemals freiwillig betreten. Als sie noch geraucht hat, hat sie manchmal Bibelseiten verwendet, wenn sie kein Zigarettenpapier mehr hatte.

Vielleicht würde Jesus sich auch zu der Gothic-Friseurin stellen – lila gefärbte Haare, dick schwarz umrandete Augen, sexy Kleidung und ziemlich satanistisch angehaucht. Oder zu einer meiner Freundinnen, die die Toleranz in Person sind und jede sexuelle Ausrichtung als „Liebe“ akzeptieren? Zu dem – eigentlich ganz netten – Satanisten? Zu dem zwanzigjährigen Vater ohne Schulabschluss, dessen Leben voller Probleme steckt? Oder zu dem atheistischen, bisexuellen Mädchen mit gepiercten Lippen und ständig wechselnder Haarfarbe?

Ich glaube, Jesus würde sich mit genau diesen Menschen anfreunden. Einfach, um ihnen zu zeigen, dass auch und gerade sie von Gott bedingungslos geliebt werden. Er würde hinter die Zigaretten schauen, hinter die bunten Haare, hinter die überschminkten Gesichter, hinter die Piercings und hinter die kurzen, engen, tief ausgeschnittenen Kleider. Er würde die Menschen dahinter ansehen und versuchen, ihre Seelen zu heilen und ihnen die echte, tiefe Liebe zu geben, die jeder einzelne von ihnen verdient – weil sie tolle, wertvolle Menschen sind.

Ich habe manchmal den Eindruck, dass das Christentum in den Augen mancher seiner Anhänger zu einer Art Elite-Religion mutiert ist: Wir sind diejenigen, die erkannt haben, dass Sünde uns von Gott trennt, die deshalb versuchen, so wenig wie möglich zu sündigen – und die sich dementsprechend von „solchen Leuten“ fernhalten, weil wir sehen, was „sie“ alles schon falsch gemacht haben und noch falsch machen. Wir wollen nicht riskieren, dass wir werden wie „sie“. Dass sie uns „anstecken“ mit ihrer Lebensweise und ihren Ansichten.

Aber eigentlich ist das Christentum genau das eben gerade nicht. Am Anfang bestanden wir nur und ausschließlich aus solchen Leuten: Zöllner, Ehebrecher, Prostituierte, Leute, die früher von Dämonen besessen waren, laute, grobe Fischer… Leute, die in ihrem Leben sicher so einiges falsch gemacht hatten. Sicher, auch viele Leute, die weniger falsch gemacht hatten. Aber danach fragte Jesus nicht. Er nahm sie alle mit, wenn sie nur wollten. Er ging auf sie zu und freundete sich mit ihnen an. Das gefiel manchen, wie den Pharisäern, überhaupt nicht – aber ihm war das ziemlich egal. Er gab „solchen Leuten“ die echte, tiefe Liebe, die jeder einzelne von ihnen verdiente – weil sie tolle, wertvolle Menschen waren.

Und genau deshalb werde ich auch morgen wieder auf den Schulhof gehen und nett zu „solchen Leuten“ sein. Mit ihnen Spaß haben und zumindest versuchen, ihnen Jesu Liebe zu zeigen. Und mir keine neuen Freunde suchen – weil die, die ich habe, tolle, wertvolle Menschen sind.

Katharina E. ist eine 17-jährige Schülerin aus Deutschland aus der Nähe von Würzburg. In ihrer Pfarrgemeinde ist sie Organistin.

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