Irritierendes zum Lebensschutz

22. Juli 2016 in Kommentar


Ein „Faktencheck“ des Evangelischen Arbeitskreises der CDU/CSU (EAK) nährt Zweifel, ob von den C-Parteien für den Lebensschutz Ungeborener noch etwas zu erwarten ist. Gastbeitrag von Bernward Büchner


Freiburg (kath.net) Die gesetzliche Regelung zum „Schwangerschaftsabbruch“ ist inzwischen mehr als zwanzig Jahre in Kraft. Keine der im Bundestag vertretenen Parteien möchte sie noch in Frage stellen.

Die Pflicht des Gesetzgebers zu beobachten, ob sein Gesetz die erhofften Schutzwirkungen tatsächlich entfaltet oder seine praktische Durchführung Mängel offenbart, und sein Konzept gegebenenfalls nachzubessern oder zu ändern, wird schlicht ignoriert. Die in der Statistik ausgewiesene Zahl von inzwischen jährlich rund 100.000 Abtreibungen wird auf ihre Plausibilität nicht hinterfragt und offenbar für tolerabel gehalten.

Verkannt wird hierbei, dass die Schutzpflicht des Staates für das ungeborene Leben, so das Bundesverfassungsgericht, auf das einzelne Leben bezogen ist, also nicht nur auf menschliches Leben allgemein, weshalb eine quantitative Betrachtungsweise unzureichend ist, der gebotene Schutz sich also allein statistisch nicht belegen lässt. Vielmehr setzt er das Bewusstsein vom Lebensrecht jedes einzelnen ungeborenen Kindes voraus. Deshalb heißt es in Paragraph 219 des Strafgesetzbuchs, bei ihrer Entscheidung müsse „der Frau bewusst sein, dass das Ungeborene in jedem Stadium der Schwangerschaft auch ihr gegenüber ein eigenes Recht auf Leben hat“.

Ein solches Bewusstsein kann jedoch nicht mehr als selbstverständlich vorausgesetzt werden, gerade in einer Gesellschaft, in der – auch von Beratungsträgern wie pro familia - ein „(Menschen-) Recht auf Abtreibung“ immer penetranter propagiert wird. Das Bundesverfassungsgericht hat in seinem Abtreibungsurteil von 1993 jedoch die Möglichkeit eines solches Rechts ausdrücklich verneint. Zudem hat es die Organe des Staates verpflichtet, „den rechtlichen Schutzanspruch des ungeborenen Lebens im allgemeinen Bewusstsein zu erhalten und zu beleben“. Deshalb müssten sie „erkennbar für den Schutz des Lebens eintreten.“ Dies schließt aus, dass sie sich gegenüber der Propagierung eines „Rechts auf Abtreibung“ indifferent verhalten oder sie gar fördern.

Zu den schutzpflichtigen Organen des Staates gehört an erster Stelle die Bundesregierung.

Mit mehrfachen Anfragen des Verfassers an die Bundesministerin für Familie, Senioren, Frauen und Jugend Manuela Schwesig, an die Bundeskanzlerin und an das Bundesministerium für Justiz und Verbraucherschutz ist es nicht gelungen zu erfahren, welche eindeutige Position die Bundesregierung zu einem „Recht auf Abtreibung“ vertritt. Nach der Antwort des Justizministeriums „darf“ die Frau in den Fällen, in welchen ein Schwangerschaftsabbruch nach dem Gesetz gerechtfertigt oder nicht strafbar ist, einen solchen vornehmen lassen.

Die beiden angeschriebenen Bundesministerien sind SPD-geführt und das Bundeskanzleramt nach seiner Antwort angeblich nicht zuständig. Wie aber stehen die Unionsparteien zu einem „Recht auf Abtreibung“? Haben sie hierzu keine eigene Position? Ist der Lebensschutz Ungeborener für sie inzwischen so unwichtig, dass sie es schweigend hinnehmen, dass das Lebensrecht ungeborener Kinder im öffentlichen Bewusstsein immer mehr durch ein „Recht auf Abtreibung“ verdrängt wird?

In einem „Faktencheck“ zum Grundsatzprogramm der AfD hat sich allerdings jüngst der Evangelische Arbeitskreis der CDU/CSU (EAK) zu Wort gemeldet und die Aussagen der AfD zu Abtreibung und Lebensschutz kritisiert. Die AfD wende sich „gegen alle Versuche, Abtreibungen zu bagatellisieren, staatlicherseits zu fördern oder sie gar zu einem Menschenrecht zu erklären“. Hier, so der EAK, würden „regelrechte ideologische ‚Pappkameraden‘ aufgebaut“.

Eine solche Kritik ist entlarvend, weil sie zeigt, dass der EAK von einem wirklichen Lebensschutz Ungeborener im Grunde nichts mehr wissen möchte. Denn was bleibt von einem solchen Schutz noch übrig, wenn Abtreibungen bagatellisiert, staatlich gefördert und zu einem Menschenrecht erklärt werden? Dass dies nicht geschieht, ist deshalb eine selbstverständliche Mindestforderung im Einklang mit der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, über die man sich innerhalb der Unionsparteien jedoch offenbar nicht mehr einig ist. Oder ist die vom EAK in seinem „Faktencheck“ vertretene Position in CDU und CSU womöglich konsensfähig? Jedenfalls lässt sie daran zweifeln, ob von den C-Parteien für den Lebensschutz noch etwas zu erwarten ist.




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