Ihr werdet meinen Kelch trinken

25. Juli 2016 in Spirituelles


Gedanken des Hl. Gregor der Große (um 540-604), Papst und Kirchenlehrer, über das Martyrium des Hl. Jakobus


Rom (kath.net)
Da wir heute, liebe Brüder, das Fest eines Märtyrers feiern, dürfen wir uns von der Art der Geduld, die er zeigte, auch anrühren lassen. Denn wenn wir, mit Hilfe des Herrn, mit aller Kraft an dieser Tugend festhalten, werden wir gewiss die Palme des Martyriums erlangen, obwohl wir im Frieden der Kirche leben. Es gibt ja zwei Arten von Martyrium: das eine besteht in einer geistigen Haltung, das andere besteht zusätzlich dazu in einer Einwirkung von außen. Daher können wir Märtyrer sein, ohne durch das Schwert des Scharfrichters zu sterben. Durch die Hände von Verfolgern das Leben zu verlieren, ist ein Martyrium der Tat und den Sinnen zugänglich. Verunglimpft zu werden und dabei den zu lieben, der uns hasst, ist ein Martyrium des Geistes und vollzieht sich im Verborgenen.

Dass es zwei Arten des Martyriums gibt, ein verborgenes und ein sozusagen öffentliches, das bezeugt die „Wahrheit selber“ mit ihrer an die Söhne des Zebedäus gerichteten Frage: „Könnt ihr den Kelch trinken, den ich trinken werde?“ Als sie darauf sagen: „Wir können es“, antwortet der Herr ihnen: „Ihr werdet meinen Kelch trinken“. Was sollen wir unter diesem Kelch anderes verstehen als die Leiden der Passion, von der er an anderer Stelle sagt: „Mein Vater, wenn es möglich ist, gehe dieser Kelch an mir vorüber“ (Mt 26,39)? Die Söhne des Zebedäus, nämlich Jakobus und Johannes, starben nicht beide eines Martertods, und das, obwohl er zu beiden gesagt hatte, sie würden den Kelch trinken. Obwohl Johannes nicht als Märtyrer starb, war er dennoch ein Märtyrer; denn die Leiden, von denen sein Leib verschont blieb, musste er in seinem Geist erfahren. Aus diesem Beispiel müssen wir den Schluss ziehen, dass wir, sofern wir in unserer Seele die Geduld bewahren, auch dann Märtyrer sein können, wenn wir nicht durch das Schwert umkommen.


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