Vom Verlieren und Wiederfinden der ersten Liebe

1. August 2016 in Spirituelles


Das Herz des Menschen ist dafür gemacht, von Gott fasziniert zu sein. Und das christliche Leben besteht darin, Jesus zu kennen und ihn zu lieben. Brechen wir aus aus der geistlichen Langeweile! - Ein kath.net-Kommentar von Johannes Hartl


Linz (kath.net)
In jeder Beziehung und jeder Ehe kann man sich das leicht vorstellen: inmitten aller Beschäftigung und im Laufe der Jahre kann das erkalten, was ganz am Anfang als Zauber zwischen den verliebten Herzen wirkte. Doch genau das Gleiche trifft auch auf das Glaubensleben zu. Wissen sie, dass sie theologisch gebildeter, in der Frömmigkeit routinierter und kirchlich aktiver werden und dabei doch das Wesentliche verlieren können?

Tatsächlich erfahren wir im Neuen Testament von einem erstaunlichen Beispiel. Die Verkündigung des Paulus in Ephesus war eine Sternstunde der frühen Christenheit: machtvolle Zeichen und Wunder geschahen und eine kulturelle Metropole wurde so kräftig vom Evangelium erschüttert, dass die Produzenten von Götzenbildern Angst bekamen, ihr Geschäft zu verlieren.

Ausgehend von Ephesus geschah Missionsarbeit in ganz Kleinasien und noch Jahrhunderte später fand dort sogar ein Konzil statt. Umso beachtlicher ist es, dass Jesus in seinem Sendschreiben an die Gemeinde von Ephesus durchaus nicht nur voll des Lobes ist. „Ich werfe dir aber vor, dass du deine erste Liebe verlassen hast“, lässt er den Seher Johannes ausrichten (Offb 2,4). Doch Jesus kritisiert nicht nur, er lobt auch. Die Gemeinde in Ephesus sei treu in „Mühe und Ausharren“, könne „die Bösen nicht ertragen“ und sei fähig, falsche Apostel zu entlarven (2,2). Eine Gemeinde schließlich die, um Jesu Namens willen Schweres ertragen hat und dennoch nicht müde wurde (2,3).

Eine vorbildliche Gemeinde also! Und dennoch: die erste Liebe verlassen! Es lässt sich also feststellen: es genügt nicht, im Kampf effektiver, gebildeter und weiser zu werden. Jesus sehnt sich nicht in erster Linie nach frommer Performance, er sehnt sich nach einer Herzensbeziehung. Und diese kann leiden inmitten eines äußerlich sehr fruchtbaren Lebens. Tatsächlich fährt Jesus fort: „ Bedenke, aus welcher Höhe du gefallen bist und tue Buße und tue die ersten Werke!“ (Offb 2,5) Ephesus ist mittlerweile sicherlich einflussreicher und gefestigter als am Anfang der Gemeinde. Und doch beschreibt Jesus den weiteren Verlauf als einen Verlust an Höhe. Denn seine Definition von Höhe ist offensichtlich eine andere als unsere. Ein Herz, das in Jesus verliebt ist, darum geht es ihm mehr als um das Außen. Und hier gewinnt das Sendschreiben an Ephesus eine packende Relevanz für Menschen, die schon länger gläubig sind. Gibt es hier nicht überall die selbe Versuchung? Im Einsatz für Gott und Mitmenschen, vielleicht auch im Kampf gegen negative Strömungen in der Gesellschaft oder in Predigt und Verkündigung äußerlich immer mehr zu machen, doch innerlich zu erkalten. Die erste Liebe zu verlieren.

Das Beruhigende ist, dass diese Versuchung bereits im ersten Jahrhundert der Kirche ebenso groß war wie heute. Dass selbst ein Erweckungszentrum wie Ephesus nicht davor gefeit war. Es ist also normal, das erste Feuer zu verlieren. Doch dabei muss man nicht stehen bleiben.

Das wunderbare an der Stimme Jesu ist, dass sie nie nur ein Problem aufzeigt, sondern immer auch einen Ausweg nennt. In Vers 5 ist dieser Ausweg in einem Dreischritt beschrieben: bedenke!, kehr um!, tue die ersten Werke!

Zunächst ruft Jesus Ephesus auf, zu bedenken. Er selbst erinnert sich noch. Die frühere Liebe ist ihm noch in Erinnerung. Doch wir vergessen schnell. Weißt du noch, wie begeistert du damals warst? Wie du nicht genug bekommen konntest von allem, was mit dem Glauben zu tun hat? Das Bedenken kann man ganz konkret umsetzen: sich tatsächlich an markante Ereignisse des eigenen Glaubenslebens erinnern. Sich Tagebucheinträge von damals durchlesen. Musik hören, die einem damals half, zu beten. Ein Buch noch einmal lesen. Jede Erfahrung, die man mit Gott gemacht hat, ist nicht einfach vorbei, sondern eingeschrieben in Gottes ewiges Gedächtnis. Das war Realität!

Der zweite Schritt ist der Ruf zur Umkehr. Hier geht es nicht um sündhaftes Verhalten. Es geht ums Herz. Wenn das Herz kälter, abgeklärter und weniger liebend geworden ist, dann ist das für Jesus ein echtes Thema. So wie in einer Ehe: wenn die Liebe erkaltet ist, genügt es nicht, weiter Aktivität auf Aktivität zu häufen.

Es muss Umkehr her, meist auf beiden Seiten. Die Umkehr zurück zur ersten Liebe wird ein Christ wohl öfters im Leben vollziehen müssen. Doch wirksam wird sie nur sein, wenn sie ein realer und tief empfundener Schritt ist, der echte Buße und Reue beinhaltet, immer wieder auch die sakramentale Beichte.

Und schließlich die ersten Werke. Was ist damit gemeint? Verliebte Menschen tun Dinge, die kostspielig und unvernünftig erscheinen. Wenn das Zugticket auch 120€ kostet? Egal, wenn ich SIE dann nur wiedersehe! Verliebte können die ganze Nacht durch reden und nicht einmal müde werden. In einer reiferen Beziehung ist das nicht immer so. Während Werke niemals die Grundlage der Beziehung zu Gott sein können, haben sie Auswirkungen auf das Herz. Wer wenig betet, hat immer weniger Sehnsucht nach Gebet. Doch auch das Gegenteil ist wahr: wer erste Werke tut, dessen Herz wird von den Werken bewegt. Oder wie Thérèse von Lisieux sagte: wenn das Feuer ausgeht, muss man ein Holzscheit nachlegen. Wenn die erste Liebe erkaltet ist, sind es entschiedene Handlungen, die das Herz wieder in Wallung bringen. Erste Werke, das sind Werke, die etwas kosten. Ein Tag Fasten.

Früher aufstehen, um länger zu beten. Einen größeren Geldbetrag spenden. 10 Kapitel Bibel lesen pro Tag. Mit Freunden eine ganze Nacht durchbeten. Diese Beispiele klingen extrem? Sie sind es nicht. Verglichen mit dem, was selbst Hobby-Sportler an Einsatz und Selbstüberwindung investieren, ist all das noch immer sehr bürgerlich.

Doch das Leben ist zu kurz, um ohne Feuer zu leben. Das Herz des Menschen ist dafür gemacht, von Gott fasziniert zu sein. Und das christliche Leben besteht darin, Jesus zu kennen und ihn zu lieben. Wie Alfons von Ligori schreibt: „ Glücklich, wer von Herzen sagen kann: Mein jesus, Dich allein will ich und sonst nichts. - Wer Gott liebt, wird in allen Dingen Trost und Freude finden, und wer ihn nicht liebt, wird in nichts Trost und Freude finden.“ Ein wahres Wort! Bedenken, umkehren, erste Werke! Brechen wir aus aus der geistlichen Langeweile!

Dr. Johannes Hartl (Foto) ist katholischer Theologe und leitet das Gebetshaus Augsburg. Er ist verheiratet und Familienvater.

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Gott ungezähmt
Raus aus der spirituellen Komfortzone
Von Johannes Hartl
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2016 Herder, Freiburg
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