Stürze uns ins Abenteuer der Barmherzigkeit!

28. Juli 2016 in Aktuelles


Franziskus an die Jugendlichen: Bei euch von Barmherzigkeit zu sprechen, heißt von Chance zu sprechen, von Zukunft, Engagement, Zuversicht, Offenheit, Gastfreundschaft, Mitgefühl und Träumen. Die erste Begegnung mit dem Papst


Rom-Krakau (kath.net) Am Nachmittag des zweiten Tages seiner apostolischen Reise nach Krakau zum 31. Weltjugendtag überreichte der Bürgermeister von Krakau Papst Franziskus vor dem erzbischöflichen Palais die Schlüssel der Stadt. Der Bürgermeister kam zusammen mit einigen behinderten Jugendlichen auf einer umweltfreundlichen Straßenbahn.

Nach der Zeremonie fuhr der Papst zusammen mit dem Erzbischof von Krakau, Kardinal Stanisław Dziwisz, dem Bürgermeister und den Jugendlichen mit der Straßenbahn zum Jordan-Park, wo die Begrüßungszeremonie mit den Zehntausenden von Jugendlichen aus aller Welt unter dem Thema „Berufen zur Heiligkeit“ stattfand. Das Fest hatte vor der Ankunft des Papstes mit traditioneller Musik, Tänzen und einer Präsentation von Jugendlichen in Vertretung der verschiedenen Kontinente begonnen. Die Jugendlichen brachten dann Fahnen und Fotografien der „Zeugen der Barmherzigkeit“ aus ihren jeweiligen Herkunftsgebieten: Vinzenz von Paoli (Europa), Mutter Teresa von Kalkutta (Asien), Mary MacKillop (Australien und Ozeanien), Jospehine Bakhita (Afrika), Damian de Veuster von Molokai (Nordarmerika) und Irma Dulce (Südamerika).

Eine „Stafette von Heiligen“, angefangen mit der heiligen Agnes (3. Jahrhundert) bis hin zu den seligen Sbignew Strzałkowski und Michael Tomasz (20. Jahrhundert), beleuchtete dann das Thema weiter. Nach den Grußworten von Kardinal Dziwisz und der Verlesung eines Abschnitts aus dem Evangelium richtete der Papst eine mit Spannung erwartete Ansprache an die Jugendlichen.

„Ich möchte euch auch noch etwas anderes gestehen, das ich in diesen Jahren gelernt habe: Es schmerzt mich, wenn ich jungen Menschen begegne, die vorzeitig in „Pension“ gegangen zu sein scheinen. Es macht mir Sorgen, wenn ich junge Menschen sehe, die „das Handtuch geworfen haben“, bevor sie zum Wettkampf angetreten sind. Die sich „ergeben“ haben, ohne überhaupt begonnen zu haben, zu spielen. Die mit traurigem Gesicht umherziehen, als sei ihr Leben nichts wert. Es sind hauptsächlich gelangweilte… und langweilige Jugendliche. Es fällt schwer und wirft zugleich Fragen auf, wenn man junge Menschen sieht, die ihr Leben aufgeben, indem sie den „Rausch“ suchen oder dieses Abenteuer, sich auf dunklen Wegen in ihrem Element zu fühlen, die sie am Ende „bezahlen“… und teuer bezahlen. Es stimmt nachdenklich, wenn man junge Menschen sieht, die die schönen Jahre ihres Lebens und ihre Energie verlieren, indem sie Verkäufern falscher Vorspiegelungen nachlaufen (in meinem Heimatland würden wir sagen „Rauchverkäufern“), die euch um das Beste bringen, das ihr besitzt.“

„Liebe Freunde, ich frage euch: Wollt ihr für euer Leben diesen entfremdenden Rausch, oder wollt ihr die Kraft spüren, die euch das Gefühl der Lebendigkeit und der Fülle vermittelt? Entfremdender Rausch oder Kraft der Gnade? Um erfüllt zu sein, um erneuerte Kraft zu besitzen, gibt es eine Antwort: Es ist nicht eine Sache, nicht ein Objekt, es ist eine Person und sie lebt, sie heißt Jesus Christus.“


kath.net veröffentlicht die Ansprache von Papst Franziskus bei der Begrüßungszeremonie für die Jugendlichen im Krakauer Jordan-Park:

Liebe junge Freunde, einen schönen guten Abend!

Endlich treffen wir uns! Danke für diesen herzlichen Empfang! Ich danke Kardinal Dziwisz, den Bischöfen, Priestern, Ordensleuten, Seminaristen und allen, die euch begleiten. Danke all denen, die es ermöglicht haben, dass wir heute hier sind, die sich „abgeschuftet“ haben, damit wir den Glauben feiern können.

In diesem seinem Heimatland möchte ich besonders dem heiligen Johannes Paul II. danken, der diese Treffen ersonnen und gefördert hat. Vom Himmel aus begleitet er uns, da er so viele junge Menschen aus ganz verschiedenen Völkern, Kulturen und Sprachen mit dem gleichen Beweggrund vereint sieht: zu feiern, dass Jesus lebendig mitten unter uns ist. Und zu sagen, dass er lebt, bedeutet, unser Verlangen zu erneuern, ihm zu folgen, unser Verlangen, seine Nachfolge mit Leidenschaft zu leben. Was könnte eine bessere Gelegenheit sein, die Freundschaft mit Jesus zu erneuern, als die Freundschaft unter euch zu festigen! Was könnte eine bessere Art und Weise sein, unsere Freundschaft mit Jesus zu festigen, als sie mit den anderen zu teilen! Was könnte eine bessere Art und Weise sein, die Freude des Evangeliums zu erleben, als das Verlangen zu haben, seine Frohe Botschaft in so viele schmerzliche und schwierige Situationen zu übertragen!

Jesus ist es, der uns zu diesem 31. Weltjugendtag zusammengerufen hat; Jesus ist es, der uns sagt: »Selig die Barmherzigen, denn sie werden Erbarmen finden« (Mt 5,7). Selig, die imstande sind zu verzeihen, die imstande sind, ein mitfühlendes Herz zu haben, die imstande sind, den anderen ihr Bestes zu geben. Das Beste, nicht das, was übrig bleibt: das Beste.

Liebe junge Freunde, in diesen Tagen zieht Polen sein Festkleid an; in diesen Tagen möchte Polen das stets junge Gesicht der Barmherzigkeit sein. Von diesem Land aus wollen wir mit euch und auch vereint mit vielen Jugendlichen, die heute nicht hier sein können, uns aber über die verschiedenen Kommunikationsmittel begleiten, alle gemeinsam aus diesem Weltjugendtag ein echtes Jubiläumsfest machen.

In den Jahren meiner Zeit als Bischof habe ich etwas gelernt: Es gibt nichts Schöneres, als die frohe Bereitschaft, die Hingabe, die Leidenschaft und die Energie zu betrachten, mit der viele junge Menschen ihr Leben leben. Wenn Jesus das Herz eines jungen Mannes, eines jungen Mädchens anrührt, sind diese zu wirklich grandiosen Handlungen fähig. Es ist anregend, wenn man hört, wie sie ihre Träume, ihre Fragen mitteilen und ihre Bereitschaft, sich allen entgegenzustellen, die behaupten, es könne sich nichts ändern.

(...)

Es ist ein Geschenk des Himmels, viele von euch sehen zu können, die ihr mit euren Diskussionen zu erreichen sucht, dass die Dinge anders werden. Es ist schön und es tröstet mein Herz, euch so überschwänglich zu sehen. Die Kirche blickt heute auf euch und möchte von euch lernen, um wieder neu auf die Barmherzigkeit des himmlischen Vaters zu vertrauen, die ein stets junges Gesicht hat und nicht aufhört, uns einzuladen, Teil seines Reiches zu sein.

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Da ich die Leidenschaft kenne, die ihr in die Mission legt, wage ich zu wiederholen: Die Barmherzigkeit hat immer ein junges Gesicht. Denn ein erbarmungsvolles Herz hat den Mut, aus seinen Bequemlichkeiten aufzubrechen; ein erbarmungsvolles Herz weiß den anderen entgegenzugehen und schafft es, alle zu umarmen. Ein erbarmungsvolles Herz versteht es, eine Zuflucht zu sein für diejenigen, die niemals ein Zuhause hatten oder die es verloren haben; es versteht, ein Daheim und eine Familie zu schaffen für diejenigen, die auswandern mussten; es ist zu zärtlicher Liebe und Mitgefühl fähig. Ein erbarmungsvolles Herz weiß sein Brot mit dem Hungrigen zu teilen; ein erbarmungsvolles Herz öffnet sich, um den Flüchtling und den Migranten aufzunehmen. Bei euch von Barmherzigkeit zu sprechen, heißt von Chance zu sprechen, von Zukunft, Engagement, Zuversicht, Offenheit, Gastfreundschaft, Mitgefühl und Träumen.

(...)

Ich möchte euch auch noch etwas anderes gestehen, das ich in diesen Jahren gelernt habe: Es schmerzt mich, wenn ich jungen Menschen begegne, die vorzeitig in „Pension“ gegangen zu sein scheinen. (...) Es macht mir Sorgen, wenn ich junge Menschen sehe, die „das Handtuch geworfen haben“, bevor sie zum Wettkampf angetreten sind. Die sich „ergeben“ haben, ohne überhaupt begonnen zu haben, zu spielen. Die mit traurigem Gesicht umherziehen, als sei ihr Leben nichts wert. Es sind hauptsächlich gelangweilte… und langweilige Jugendliche.

Es fällt schwer und wirft zugleich Fragen auf, wenn man junge Menschen sieht, die ihr Leben aufgeben, indem sie den „Rausch“ suchen oder dieses Abenteuer, sich auf dunklen Wegen in ihrem Element zu fühlen, die sie am Ende „bezahlen“… und teuer bezahlen. (...) Es stimmt nachdenklich, wenn man junge Menschen sieht, die die schönen Jahre ihres Lebens und ihre Energie verlieren, indem sie Verkäufern falscher Vorspiegelungen nachlaufen (in meinem Heimatland würden wir sagen „Rauchverkäufern“), die euch um das Beste bringen, das ihr besitzt.

(...)

Daher, liebe Freunde, haben wir uns versammelt, um uns gegenseitig zu helfen, denn wir wollen uns nicht unser Bestes rauben lassen, wir wollen nicht zulassen, dass man uns mit falschen Vorspiegelungen um unsere Energien, unsere Freude und unsere Träume bringt.

Liebe Freunde, ich frage euch: Wollt ihr für euer Leben diesen entfremdenden Rausch, oder wollt ihr die Kraft spüren, die euch das Gefühl der Lebendigkeit und der Fülle vermittelt? Entfremdender Rausch oder Kraft der Gnade?

(...)

Um erfüllt zu sein, um erneuerte Kraft zu besitzen, gibt es eine Antwort: Es ist nicht eine Sache, nicht ein Objekt, es ist eine Person, sie heißt Jesus Christus.

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Jesus Christus ist es, der dem Leben wirkliche Leidenschaft verleihen kann, Jesus Christus ist es, der uns bewegt, uns nicht mit dem Geringen zu begnügen, sondern unser Bestes zu geben. Jesus Christus ist es, der uns anfragt, uns einlädt und uns hilft, jedes Mal wieder aufzustehen, wenn wir uns geschlagen geben. Jesus Christus ist es, der uns treibt, den Blick zu erheben und Großes zu erträumen.

(...)

Im Evangelium haben wir gehört, dass Jesus auf seinem Weg nach Jerusalem in einem Haus Halt macht – dem von Martha, Maria und Lazarus –, das ihn beherbergt. Auf der Durchreise tritt er in ihr Haus ein, um bei ihnen zu sein; die beiden Frauen heißen den willkommen, von dem sie wissen, dass er Mitgefühl hat. Die vielen Beschäftigungen lassen uns sein wie Martha: aktiv, zerstreut, ständig hin und her eilend… doch oft sind wir auch wie Maria: Vor einer schönen Landschaft oder einem Video, das ein Freund uns aufs Handy schickt, verweilen wir nachdenklich und lauschend.

Während dieses Weltjugendtags möchte Jesus in unser Haus eintreten (...). Er wird unsere Sorgen sehen, unsere Eile, wie er es bei Martha sah… und er wird warten, dass wir ihm zuhören wie Maria; dass wir mitten im Rummel den Mut haben, uns Ihm anzuvertrauen: Mögen es Tage für Jesus sein, die ganz dafür da sind, einander zuzuhören, Jesus zu empfangen in denen, die im gleichen Haus, in der gleichen Straße, in dem gleichen Verein oder in der gleichen Schule sind wie ich.

Und wer Jesus aufnimmt, lernt zu lieben wie Jesus. Dann fragt er uns, ob wir ein Leben in Fülle wollen: Willst du ein Leben in Fülle? Beginne damit, dich innerlich anrühren zu lassen! Denn das Glück keimt auf und erblüht in der Barmherzigkeit – das ist seine Antwort, das ist seine Einladung, seine Herausforderung, sein Abenteuer: die Barmherzigkeit.

Die Barmherzigkeit hat immer ein junges Gesicht – wie das der Maria von Bethanien, die als Jüngerin Jesus zu Füßen sitzt und Gefallen daran findet, ihm zuzuhören, denn sie weiß, dass dort der Friede herrscht. Wie das Gesicht der Maria von Nazareth, die sich mit ihrem „Ja“ ins Abenteuer der Barmherzigkeit gestürzt hat; die von Generation zu Generation selig gepriesen und unser aller „Mutter der Barmherzigkeit“ genannt wird.

(...)

So bitten wir nun alle gemeinsam den Herrn: Stürze uns ins Abenteuer der Barmherzigkeit! Stürze uns in das Abenteuer, Brücken zu bauen und Mauern (Einzäunungen und Gitternetze) niederzureißen, stürze uns in das Abenteuer, dem Armen zu helfen, dem, der sich einsam und verlassen fühlt, dem, der keinen Sinn mehr im Leben findet (...). Dränge uns – wie Maria von Bethanien – in die Haltung des Hörens, dass wir denen zuhören, die wir nicht verstehen, denen, die aus anderen Kulturen und anderen Völkern kommen, und sogar denen, die wir fürchten, weil wir glauben, sie könnten uns schaden. Lass uns unseren Blick – wie Maria von Nazareth mit Elisabet – unseren alten Menschen zuwenden, um von ihrer Weisheit zu lernen.

(...)

Da sind wir, Herr! Sende uns aus, um deine barmherzige Liebe mit anderen zu teilen. Auf diesem Weltjugendtag wollen wir dich willkommen heißen. Wir wollen bekräftigen, dass das Leben erfüllt ist, wenn man es von der Barmherzigkeit aus lebt; dass dies das Bessere ist und dass es uns niemals genommen werden soll. Amen.


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