Gräben, Balance und Brücken in Zeiten des Terrors

5. August 2016 in Kommentar


Ein kath.net-Kommentar von Gudrun Trausmuth über die Papst-Worte zum Islam, Terror und Christentum bei der Rückreise von Krakau


Wien (kath.net) Das öffentliche Sprechen angesichts des Terrors präsentiert sich vor allem als von bestimmten Erwartungen dominiert und unfrei: Da gibt es die fast standardisierte öffentliche Reaktion nach Terror und Tod, die sich im Wort „fassungslos“ bündelt, leider haben offenbar auch viele Bischöfe keine anderen sprachlichen und inhaltlichen Möglichkeiten. - Eine fast wohltuende Ausnahme sind Aussagen wie jene des Erzbischofs von Rouen, Dominique Lebrun, der bei der Beerdigung des ermordeten Priesters Jacques Hamel betonte: „Wir sind verletzt, bestürzt, aber nicht zerstört.“

Die zentrale Frage, die gleichsam mitlaufend oder ganz direkt das Sprechen über den Terror begleitet, ist jene nach dem Zusammenhang von Islam und Terror - und jede Antwort darauf birgt ein Sicherheitsrisiko.

Entsprechend verständlich sind die fast reflexartigen Versicherungen, dass der Terror nichts mit dem Islam zu tun habe. Auf der anderen Seite gibt es jene, die unbedingt und ständig hören möchten, dass der Islam bzw. der Koran die Potenz für Gewalt und Terror in sich trage. – Und dann, ja dann, wird der Papst im Zuge einer dieser gleichsam lockeren Pressekonferenzen im Flugzeug gefragt, warum er immer nur von „Terror“ spreche und nicht vom Islam. Und der Papst antwortet. Er antwortet auf die einzige Weise, die für ihn, als Papst, auf eine derartige Frage möglich ist: Er verwahrt sich gegen die Identifizierung von Islam und Gewalt und grenzt den IS (dessen Greuel er erwähnt), deutlich vom Islam ab.

Der scharfen Kritik, der Franziskus in der Folge (wieder einmal) innerhalb der Katholiken ausgesetzt ist, sei hier entgegengehalten: Der Papst ist der Papst. – Was zunächst nicht nur heißen soll, dass gegenüber dem Amt des Petrus, also jedem Papst gegenüber, gerade von Seiten konservativer Katholiken ein grundsätzliches Wohlwollen, Treue und Verstehenwollen zu erwarten ist - wobei eine wünschenswerterweise konsequente (und nicht selektive) Papsttreue sich durchaus auch in einem nachdenklichen Schweigen äußern könnte. Denn: Was hätte der Papst mit welchen Folgen sonst auf diese Frage antworten sollen? Die betreffende Frage an den Papst bezüglich seiner Wortwahl war nicht nur dreist und suggestiv („Warum sprechen Sie, wenn Sie über die Gewalttaten reden, immer von Terroristen, aber nie vom Islam? Sie benutzen nie den Begriff „Islam“) sondern geeignet, aus einem ohnehin schon gefährlichen Sturm einen Orkan mit unabsehbaren Folgen zu machen. Und dies, während fast zeitgleich, in einer berührenden Reaktion auf die Ermordung des Priesters Jacques Hamel, ein großes Bemühen im Gange war, bereits vorhandene und sich in diesen Monaten dramatisch vertiefende Gräben zu verkleinern:

In einer ganzen Reihe von italienischen und französischen Städten hatten am Sonntag tausende Muslime katholische Gottesdienste besucht. Der Bischof von Novara, Franco Giulio Brambilla, sprach ganz ausdrücklich und bewusst von "dem großen Zeichen, das wir erwartet haben" und eine Reihe anderer Bischöfe würdigte - bei ausdrücklicher Verurteilung jeglicher Gewalt - die symbolische Geste der Solidarität von muslimischer Seite.

Wohlgemerkt: Ernste Anfragen an den Islam und seine Positionierung gegenüber Gewalt und Terror müssen gestellt werden, und wir alle beten um Erkenntnisse und Antworten, die uns leben lassen. Diese Anfragen an den Islam aber sollen Journalisten tätigen, Islamexperten machen, Politiker, ein syrisch-orthodoxer Erzbischof, und am besten und in erster Linie, die Muslime selbst, aber nicht der Papst während einer fliegenden Pressekonferenz.

Durch die zugespitzte Frage in die Zwangslage einer Antwort gebracht, musste Franziskus strategisch und gleichsam als Politiker antworten, eine Zurücksetzung der Christen in Kauf nehmend. Die herbe Kritik, die dem Heiligen Vater nun entgegenschlägt, ignoriert die den Terror transzendierenden Friedensbemühungen und verkennt das Gewicht des päpstlichen Wortes in einer hochexplosiven Situation.

Dr. Gudrun Trausmuth ist Germanistin und lebt in Wien und wird ab September regelmäßig auf kath.net publizieren.


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